Babylon – Rausch der Ekstase
USA 2022, Laufzeit: 188 Min., FSK 16
Regie: Damien Chazelle
Darsteller: Brad Pitt, Margot Robbie, Diego Calva
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Zitatenreiche Dramafarce über die ausklingende Stummfilmzeit
Time to make a Movie!
„Babylon – Im Rausch der Ekstase“ von Damien Chazelle
Ein Stummfilm-Haudegen hat seinen Zenit überschritten. Eine Nachwuchsschauspielerin erwächst zum Star. Ein mexikanischer Best Boy liebt das Kino und will mitmischen. Hollywood, die ausgehenden 1920er Jahre: Der Stummfilm ist ein Auslaufmodell, weil der Film ab jetzt singt und spricht. Das Ende einer Ära, das viele mit sich herab reißt, aber neue Chancen birgt – und Herausforderungen.
Der amerikanisch-französische Regisseur Damien Chazelle verschafft sich mit „Whiplash“ 2013 erstmals Gehör, mit „La La Land“ erobert er Hollywood und man ahnt: Chazelle liebt das Kino. Bevor Steven Spielbergs autobiografisch fundierte Hymne an das Kino im März unsere Leinwände beehrt („Die Fabelmans“), lässt nun Chazelle seine Liebeserklärung an die Projektionsnarration in sein Drei-Stunden-Epos „Babylon“ fließen.
1927: In der Ehe kracht es deftig, aber auf der Leinwand sitzt Hollywood-Star Jack Conrad (Brad Pitt) fest im Sattel. Tagsüber performt er selbst volltrunken anstandslos, die Nächte feiert er exzessiv auf den Studiopartys, in der opulent dekadent getanzt, getrunken und gehurt wird. In eine dieser Partys schneit selbstbewusst und zugekokst Nellie LaRoy (Margot Robbie), die alles daran legt, Karriere zu machen. Und da ist dann noch der Mexikaner Manny (Diego Calva), der für Drecksarbeit und Botenjob zuständig ist und sich mit Hühnern, Elefanten und Leichen herumschlagen darf. Tatsächlich aber ist er inniglich dem Kino verbunden, das er so mag, weil es nicht echt ist und zugleich so wahr. Der Best Boy scheint als letzter unverdorben hier – und damit völlig ungeeignet für das Etablissement, dem er sich so eifrig zu verpflichten gedenkt. Und auf Nellie hat er auch schon ein Auge geworfen.
Entlang dieser drei Schicksale führt uns Chazelle durch den Backstagebereich Hollywoods: Die ausufernden Partys kennen wir schon aus Baz Luhrmanns „Der große Gatsby“, auch wenn es hier nun ungleich hemmungsloser zur Sache geht: Chazelle lässt neben Bad Language ungeschminkt Blut und sonstigen Körpersaft fließen. Richtig abgefahren wird es dann, wenn es raus geht in die bergige Steppe aufs Dreh-Areal, ein durchgetakteter Chaos-Spielplatz voller Minisets und Massenszenen, in der gefilmt wird was das Zeug hält. Routineträne, Whiskey-Exzess, Kollateralschaden. Cut! Cut! Cut! Wenig später dann, auf dem Studiogelände in Los Angeles, müssen sich die Beteiligten der neuen Dimension stellen: dem Ton. Chazelle tanzt leichthändig und mit hohem Tempo durch die Kulissen des Genres. Atemlos navigiert er seine Figuren durch das ewige, schlaflose Chaos, durch das Nonstop, durch Höhenflug und hohen Fall, und ständig kollidiert etwas und geht zu Bruch im Hintergrund. Die Sinne kommen nicht zur Ruhe, so bleiben drei Stunden Kurzweil.
Schon mit der ersten Szene wähnt man sich in einer Farce. Und wenn es Farce ist, dann ist dieses Drama meist am stärksten. Wenn es spielfreudig den Wahnsinn des Studiosystems durchchoreografiert. An jeder Ecke wartet ein Filmzitat, und ebenso Zitat ist die eine oder andere zeitgenössische Unart. Von der sexuell aufgeladenen Zwergenshow zum Blackfacing wird hier vieles böse durchdekliniert und dabei gar noch abgründig auf die Spitze getrieben.
Manny bewundert am Kino Illusion und Emotion, und man spürt, dass Chazelle hier diesen beiden Grundpfeilern des Films ein Denkmal setzen möchte. Dabei scheitert er leider ein Stück: So sehr er zum Finale auf Gefühl setzt, so wenig erreicht uns das, was sich zwei Stunden lang aus flottem Aberwitz und zunehmend abwegigem Abgrund genährt hat. Und die Tränen, die uns am Ende von der Leinwand entgegenkullern, befeuchten nicht alle Augen davor.
Zu dem Opus Magnus, das Chazelle vorschwebt, reicht es zwar nicht, aber der Film bietet prima, gehobene Unterhaltung. Macht Spaß in seiner frechen Narration, im Spiel seiner Darsteller, in seinen Zitatenreichtum. Von „Apocalypse Now“ über Ingmar Bergmann bis Helge Schneider – alles dabei. Wobei wir eher nicht vermuten, dass Komponist Justin Hurwitz Helge Schneiders Wusical „Mendy“ kennt, dessen Hauptthema er hier leitmotivisch intoniert. Aber es ist ja schön, wenn auch die Filmemacher*innen nicht jedes Zitat erkennen.
(Hartmut Ernst)
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