Isle of Dogs – Ataris Reise
Deutschland, USA 2018, Laufzeit: 101 Min., FSK 6
Regie: Wes Anderson
>> www.fox.de/isle-of-dogs
Liebevoll gestaltete Puppen-Dystopie
Ein Hundeleben
„Isle of Dogs – Ataris Reise“ von Wes Anderson
Dass der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale von Wes Anderson kam, war keine große Überraschung. Schließlich liefen zuvor bereits vier seiner Filme im Wettbewerb: „Die Royal Tenenbaums“ (2002), „Die Tiefseetaucher“ (2005) und „Grand Budapest Hotel“, der 2014 zugleich Eröffnungsfilm war. Doch „Isle of Dogs“ ist ein Puppentrickfilm, und das kann man dann doch eine erstaunliche und mutige Entscheidung des Festivals nennen, zumal er als erster Animationsfilm in der Geschichte des Festivals zur Eröffnung lief. Das ist natürlich nur möglich, weil ein bekannter Regisseur wie Anderson dahinter steckt und durch die zahlreichen Stars, die den Figuren ihre Stimme leihen (Jeff Goldblum, Scarlett Johansson, Tilda Swinton, Greta Gerwig, Frances McDormand, Yoko Ono oder Harvey Keitel – alles potentielle Kandidaten für einen Gang über den Roten Teppich) wird es den Verantwortlichen nicht schwer gefallen sein, diese Entscheidung zu treffen. Und doch macht ein solches Ereignis Mut und zeigt, dass es Kräfte gibt, die einer kulturellen, ästhetischen Verengung entgegenwirken. Als Argument für diese Verengung wird im Allgemeinen der angebliche Geschmack des Publikums verantwortlich gemacht, dem man Dinge, die zu sehr aus dem Rahmen fallen, nicht zumuten könne. Doch das kann und muss man.
Japan, in naher Zukunft: In der Stadt Megasaki City regiert der korrupte Bürgermeister Kobayashi. Bald stehen Wahlen an, und da braucht es populäre Entscheidungen und ein klares Feindbild. Das ist schnell in den zahlreichen herumstreunenden Hunden gefunden, die von Krankheiten befallen sind. Schnell sind sie als Gefahrenquelle für Seuchen ausgemacht, obwohl die Müllberge der Stadt das eigentliche Problem sind. Mit scheinbarem Verständnis für Pluralismus lässt Kobayashi von Forschern ergründen, ob die Hundekrankheiten zu heilen seien, doch als ein Serum entwickelt wird, folgt sogleich die Denunziation der Wissenschaftler. Indes wurden alle Hunde auf die Müllinsel vor der Stadt deportiert. Dort ist nur noch ein Dahinvegetieren möglich. Das gilt auch für den Streuner Chief und seine Bande. Eines Tages landet ein kleiner Junge mit einem Flugzeug auf der Insel. Es ist Atari, der 12-jährige Pflegesohn des Bürgermeisters, der seinen treuen Wachhund Spots sucht. Als Mahnmal an alle Hunde wurde der als erstes auf die Insel gebracht. Gemeinsam mit Atari machen sich Chief und seine Kumpel auf die Suche und versuchen zugleich, die Machenschaften des Bürgermeisters zu unterwandern.
Es kommt nicht häufig vor, dass Animationsfilme, die keine Kinderfilme sind, in unsere Kinos kommen. „Persepolis“ (2007) und „Waltz with Bashir“ (2008) waren tolle Beispiele für Zeichentrickfilme, die sich explizit an Erwachsene richten. Stop-Motion-Filme, bei denen in akribischer Kleinarbeit Puppen zum Leben erweckt werden, finden noch seltener den Weg ins Kino. Mit Adam Elliots düsterem „Mary & Max“ startete 2009 ein beeindruckender Knetpuppenfilm à la „Wallace & Gromit“, im selben Jahr hatte schon Wes Anderson mit „Der fantastische Mr. Fox“ einen ersten außergewöhnlichen Puppenfilm gedreht. Und 2015 lief Charlie Kaufmans tief berührender Puppenfilm „Anomalisa“ im Kino. Vielleicht ist gerade die Übermacht der technischen Perfektion, die man von den zweifelsohne beeindruckenden Animationsfilmen der Pixar Studios und anderer Animations-Schmieden kennt der Grund dafür, dass nun solche ‚handgemachten‘ Filme eine Renaissance erleben. Sicher hat Wes Anderson generell einen Hang zur Sentimentalität. Aber gerade in „Isle of Dogs“ unterfüttert er seine visuelle Fabulierkunst mit aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Korruption und Ausgrenzung – deutlicher formuliert: Diktatur, Vertreibung und Völkermord sind die Themen seiner Fabel. Da kann man ein paar dramaturgische Längen, die man in fast allen seinen Filmen findet, verzeihen. Puppentrickfilm? Ja! Kinderfilm? Wohl kaum...
„Es geht bei Fassbinder um Machtstrukturen“
Oskar Roehler über „Enfant Terrible“ – Gespräch zum Film 10/20
„Sprache ist größte Barriere und größte Brücke“
Jonas Nay über „Persischstunden“ – Roter Teppich 10/20
„Das Kino wird vermisst!“
Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, über den Stillstand der Branche – Interview 05/20
„Das ist keine 08/15-Liebesgeschichte“
Paula Beer über „Undine“ – Roter Teppich 03/20
„Familienfilm mit politischer Haltung“
Dani Levy über „Die Känguru-Chroniken“ – Gespräch zum Film 03/20
„Bei Terrence Malick hat man viel mehr Zeit“
Valerie Pachner über „Ein verborgenes Leben“ – Roter Teppich 02/20
Kannste dir nicht ausdenken …
Neue Nachrichten aus einer verrückten Welt – Festival 02/20
„Nicht alles erklären“
Patrick Vollrath über „7500“ – Gespräch zum Film 01/20
„Er lässt sich einfach nichts sagen“
Jan Bülow über „Lindenberg! Mach dein Ding“ – Roter Teppich 01/20
„Alle unsere Handlungen haben miteinander zu tun“
Julius Feldmeier über „Mein Ende. Dein Anfang.“ – Roter Teppich 12/19
Star mit großem Einfühlungsvermögen
Kinoprogrammpreisverleihung 2019 im Gloria – Foyer 11/19
„Corinna Harfouch ist eine Klasse für sich“
Jan-Ole Gerster über „Lara“ – Gespräch zum Film 11/19
„Der Film brauchte eine Bildgewalt“
Christian Schwochow über „Deutschstunde“ – Gespräch zum Film 10/19
„Das sind wirklich gefährliche Leute“
Jamie Bell über „Skin“ – Roter Teppich 10/19
Kurz und knackig
Kurz.Film.Tour. in der Lichtburg Oberhausen – Foyer 09/19
„Das Thema war in der DDR absolut tabu“
Bernd Böhlich über „Und der Zukunft zugewandt“ – Gespräch zum Film 09/19
„Sex-Tourismus ist ein interessantes Phänomen“
Anne Ratte-Polle über „Es gilt das gesprochene Wort“ – Roter Teppich 08/19
„Die Figur trägt 80% von mir in sich“
Frédéric Chau über „Made in China“ – Roter Teppich 07/19
Freundliche Grenzüberschreitung
Jim Jarmusch – Portrait 06/19
„Kinder finden sich viel schneller mit dem Tod ab“
Steffen Weinert über „Das Leben meiner Tochter“ – Gespräch zum Film 06/19
„Die Filme, die wirklich etwas für uns bedeuten, sind Kinofilme“
Sebastian Schipper über „Roads“ – Gespräch zum Film 06/19
„Das Leben geht weiter“
Regisseur Sven Taddicken über „Das schönste Paar“ – Gespräch zum Film 05/19
Interview mit Sabine Timoteo
Sabine Timoteo über „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ – Roter Teppich 05/19
Aus weiblicher Perspektive
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln – Festival 04/19
„Ich möchte mich nicht zensieren lassen“
Philippe de Chauveron über „Monsieur Claude 2“ – Gespräch zum Film 04/19