Unter Kontrolle
USA/Deutschland 2008, Laufzeit: 97 Min., FSK 18
Regie: Jennifer Chambers Lynch
Darsteller: Pell James, Julia Ormond, Bill Pullman, French Stewart, Hugh Dillon, Ryan Simpkins, Gill Gayle, Kent Harper
Zwei FBI-Beamte sollen einen Mord im Hinterland klären. Dabei stoßen sie auf widersprüchliche Zeugenaussagen. Masken, Schreie, Unschärfen, Blut und Blenden ins schwarze Nichts, das Ohr wird hypnotisch malträtiert von sirenenhaften Streichern: Das Intro von Jennifer Lynchs zweitem Spielfilm könnte einem Albtraum von Papa David entspringen. Ansonsten aber bleibt dieser Thriller dankenswerterweise weitgehend eigenständig. Auch wenn David Lynch den Zweitling seiner Tochter produziert und oben drauf noch einen Song beigesteuert hat. Nachdem sie Papas Kultserie "Twin Peaks" literarisch mit dem "Geheimen Tagebuch der Laura Palmer" begleitete und mit ihrem vor allem inhaltlich enttäuschenden Spielfilm "Boxing Helena" von 1993 debütierte, sammelte Jennifer Lynch erstmal weitere Erfahrungen beim Fernsehen und in Kurzfilmen, um mit "Unter Kontrolle" ihren ersten reifen Kinofilm zu inszenieren. Darin geraten die FBI-Agenten Sam Hallaway (Bill Pullman) und Elizabeth Anderson (Julia Ormond) an ein blutiges Gemetzel auf dem Highway, dessen Ermittlungen sie ins verschrobene Hinterland verschlägt. Nachdem vor Ort die üblichen Zugehörigkeiten zwischen FBI und örtlicher Polizeibehörde geklärt sind, vernehmen Sam und Elizabeth drei Zeugen. Geschickt verschachtelt folgt Lynch den Aussagen eines Polizisten, einer Kokserin und eines kleinen Mädchens. Dabei stimmen die Bilder, die wir sehen, nicht immer mit den Aussagen überein: Vor allem die Praxis der durchweg unsympathischen Polizisten vom Land, die der alltäglichen, ländlichen Langeweile durch Schikanen und Sadismen gegenüber Durchreisenden zu entkommen suchen, bieten ein sehr spezielles, gesetzloses Bild der Gesetzeshüter. Doch bleiben die Methoden nicht die einzige Überraschung. Auch wenn man damit wieder beim Vater landet: Dass das Böse immer und überall lauert, weiß auch Jennifer Lynch. Doch sie inszeniert dabei weniger unterschwellig und assoziativ als brachial und blutig und wandelt damit vielmehr in den jüngeren Fußstapfen von David Cronenberg, der ja das Phantastische hinter sich gelassen hat und mittlerweile bevorzugt morbide bis irrwitzig das barbarische Potential seiner alltäglichen Protagonisten zur Schau stellt. In der phantasievollen Darstellung von Gewalt ist Jennifer Lynch vergleichbar schonungslos. Die gereifte Regisseurin bietet hier einen routinierten, spannenden Thriller, der sich im Sinne Kurosawas "Rashomon" über ein geschickt verwobenes Lügengerüst der Wahrheit nähert. Und das endet so böse, dass man schon wieder schmunzeln darf.
(Hartmut Ernst)
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