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Von der Bildergeschichte zur Graphic Novel

25. Februar 2016

Ahnen, Klassiker und jüngere Erneuerer des Mediums – ComicKultur 03/16

Die Geschichte des Comics lassen Historiker wahlweise bei der Höhlenmalerei, im alten Ägypten, bei Rodolphe Töpffer oder dem „Yellow Kid“ von Richard Felton Outcault beginnen. Der Berliner Avant Verlag nennt Töpffer, von dem schon sein Zeitgenosse Goethe schwärmte und der Wilhelm Busch maßgeblich beeinflusste, den Großvater des modernen Comic. Als Beweis legt der Verlag nun „Die Liebesabenteuer des Monsieur Vieux Bois“ vor, das neben der Titelgeschichte auch die Bildererzählung „Monsieur Pencil“ und „Die Geschichte des Monsieur Cryptogame“ enthält, die zwischen 1839 und 1845 entstanden sind. Bildgeschichten mit Texttafeln, die schmerzhaft derbe und schwarzhumorig vom Leid ihrer Protagonisten erzählen.

Der belgische Comic-Autor und Kritiker Benoît Peeters hat schon eine Studie zu Töpffers Werk verfasst, durch seine Zusammenarbeit mit François Schuiten ist er aber selber schon für einige Klassiker verantwortlich. Mit der Reihe „Die geheimnisvollen Städte“ hat das Duo Anfang der 80er Jahre eine surreale, oft kafkaeske Parallelwelt erschaffen, die Elemente von Steampunk und Architekturzeichnung mit gesellschaftlichen Themen wie Urbanistik und Staatsphilosophie verbindet. In ihrer jüngsten Zusammenarbeit „Nach Paris“ reist eine junge Frau von einer Weltraumarche mit von der Erde geflüchteten Bewohnern zurück auf die Erde, um zu sehen, wie sich das Leben dort entwickelt hat. Dass die Protagonistin die halbe Zeit leicht bekleidet durch die Bilder hüpft, könnte man als Schrulligkeit im Alterswerk abtun. Der Kern – die Architekturfantasien, die narrativen Spiegelungen und all das Faszinierende ihrer bisherigen Arbeit – das findet man auch hier wieder in vollendeter Form. Der erste Band der zweiteiligen Geschichte ist gerade im Verlag Schreiber & Leser erschienen. „Fugazi Music Club“ ist die Geschichte des gleichnamigen Warschauer Clubs, der in der allgemeinen Aufbruchsstimmung Anfang der 90er Jahre für kurze Zeit ein kultureller Freiraum war. Ähnlich wie viele Clubs und Veranstaltungsorte in Berlin und ganz Deutschland boten Glasnost, die Wiedervereinigung und alles was damit zusammenhing Vielerorts die Möglichkeit, verlassene Orte neu und alternativ zu besetzen. In Warschau waren es einige Jungs, die einen Rockclub eröffneten – nicht, weil das ihr langersehnter Wunsch war, sondern schlicht, weil sich die Möglichkeit bot. Marcin Podolec hat sich die Geschichte von den Protagonisten erzählen lassen und in stimmungsvollen Nachtbildern eingefangen – von der anfänglichen Naivität über die ungebremste Kreativität bis zum schnellen Ende des kurzzeitigen Abenteuers (Egmont).

Hasen, Hunde und andere Tiere bevölkern die Comics von Lewis Trondheim, eines jüngeren Erneuerers des Mediums, der aber deutlich ein erwachsenes Publikum adressiert. Auch seine Serie „Die erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“ entpuppt sich als dialoglastiger Autorencomic: Der Protagonist ist im siebten Band der Reihe „Ganz im Ernst“ mit seiner neuen Freundin Nadia in Südfrankreich. Hase ist ein notorischer Pessimist und Moralapostel – eine Spaßbremse. Nadia hingegen ist die Güte in Person. Ihren täglichen Schlagabtausch zu begleiten ist eine große Freude, und die Neurosen vom Rest der Clique, die nach und nach eintrudelt, ist auch nicht ohne. Dabei geht es um essentielle Themen: Liebe, Moral, Freundschaft, Aufrichtigkeit und nicht zuletzt die Sehnsucht nach Lebendigkeit (Reprodukt).

Christian Meyer

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