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Wu Wei bläst die Sheng
Foto: Klaus Hinrich Stahmer

Die Großmutter des Akkordeons

29. Mai 2019

Ein altes chinesisches Instrument in Wuppertal – Klassik 06/19

Wenn Wu Wei – wie ein Sportler die Siegestrophäe – sein Instrument Sheng mit beiden Händen vor sein Gesicht hebt, dann sirren Töne wie aus einem Mundharmonika-Orchester durch den Raum. Der chinesische Musiker schwingt mit dem Oberkörper den Tönen hinterher: Das Spiel gleicht einem Ritual. Und ist Sport zugleich. Das Instrument wiegt mehrere Kilo und muss in Lippenhöhe mit den Daumen ausbalanciert werden.

Für Wu Wei haben zahlreiche Komponisten aus der ganzen Welt eigens Stücke gefertigt, die dem eindringlich näselnden Sound der Mundorgel Sheng Raum zur Entfaltung ließen und besonders die Aufschwünge in ganz zarte Höhen – zu den „heiligen“ Tönen der Sheng – unterstützten. Und nur die Sheng konnte in einer bekannten Sage den Unmut der Götter besänftigen – in geschätzten drei bis fünf Jahrtausenden der Existenz des Instruments haben sich manche Legenden um die Mundorgel gesponnen.

Im erlebten Konzert blies und saugte Wu Wei in hoher Wechselfrequenz an dem Schnabelmundstück der kleinen Orgel, sein Stoß-Atem wurde zum Rhythmus und schoss Akkorde – als einziges traditionelles chinesisches Blasinstrument kann sie mehrere Töne übereinander schichten – wie aus einem eigenen Bläsersatz in den vielschichtigen Sound des Orchesters.

Wu Wei hat in Shanghai studiert, heute lehrt er selbst dort als Professor. Seine Wahlheimat ist Deutschland, denn er hat in den Neunzigern in Berlin die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ besucht und die europäische Musikkultur im Studium vertieft. Knapp 300 Werke hat der 1970 in der Volksrepublik China geborene Künstler aus der Taufe gehoben, darunter ein knappes Dutzend für Sheng und Orchester.

In Wuppertal dirigiert der jüngst mehrfach ausgezeichnete Taiwanese Tung-Chieh Chuang – eingebettet in sehr emotionale, große Orchestermusiken von Borodin und Tschaikowsky – ein Werk des deutschen Komponisten Enjott Schneider, der Filmmusik unterrichtet und selbst eine sehr bildhafte Tonsprache pflegt. Kinofilme mit seiner Musik waren „Herbstmilch“ oder „Schlafes Bruder“, im Fernsehen bedient er Formate wie Marienhof, Polizeiruf oder Tatort. Bereits 2003 schrieb er unter dem Titel „Veränderungen“ ein Konzert für Sheng und Orchester. Er gilt als Spezialist für thematisch gewidmete Aufträge. Für den FC Schalke 04 komponierte er das Musical „Nullvier – Keiner kommt an Gott vorbei“. Natürlich außer „Stan“ Libuda.

10. Sinfoniekonzert | So 23.6. 11 Uhr, Mo 24.6. 20 Uhr | Historische Stadthalle Wuppertal | 0202 563 76 66

Olaf Weiden

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