Zwischen Tropfen und Strom erscheint hier das Wasser, zwischen Detail und Fläche bewegen sich die Bilder und gewinnen ihm hohen Schauwert ab – und alles im Panoramaformat: Fast zu schön könnten Bernard Langerocks Fotos anmuten, widmet sich doch die Ausstellung „Produktivkraft Fluss" dem industriellen Eingriff in die Natur. Und der Blick von Friedrich Engels (sie ist Teil seines verlängerten Jubiläumsjahrs) war schließlich auch in Umweltfragen kritisch.
„Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur", heißt es bei Marx und Engels, „ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert." Dieser Wortlaut und weitere begleiten die Schau in der Barmer Kunsthalle, und in diesem hier steckt einiges: Tatkräftiges Regeln findet nicht zuletzt Spiegelung im Veranstalter, es ist nämlich der Wupperverband, der seit 90 Jahren das Flussgebietsmanagement betreibt und seither viel für die Wasserqualität des bergischen Flusses erreicht hat. Das ist auch Reaktion auf menschliches Tun der destruktiven Art. Daneben klingt aber der Tonfall zunächst versöhnlich: Ein Prozess zwischen Partnern, ein „Stoffwechsel" als durchaus positive Wechselbeziehung.
Potenzial und Ausbeutung
Schon beim Zitat ahnt man das „aber". Engels sah die klaren zerstörerischen Folgen der Flussnutzung seiner Zeit und ordnete dies in seine gesamtökonomische Analyse ein: „Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums, sagen die Ökonomen", so ein weiteres Zitat, „Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt." Und auch das Thema der Ausstellung ist im Ganzen die Vielfalt des Nutzens, den das nasse Element bietet, aber auch die Tücken der Nutzung. Etwa: Die Verschmutzung durch Fabrikabwässer als fatale Folge. Bloß ist Langerocks Beitrag ein anderer, weil seine eindrucksvollen Aufnahmen, stets dreigeteilt und im Ergebnis farbstarke Inszenierungen, das Positive betonen. „Wasserkraft", „Fließkraft", „Transportkraft" und einiges mehr ist prägnant als Potenzial benannt, das Menschen nützt – und das sie ausbeuten.
Wie übel die Nutzung sich heute auswirkt, zeigen die ausführlichen Infotexte wie auch dokumentarisches Fotomaterial unserer Tage. Darunter ein Fluss in Mumbai, sichtlich verschandelt durch aktuelle Varianten des von dem Denker oben konstatierten Drangs, die Natur „in Reichtum zu verwandeln". Die Globalisierung und ihre Effekte hatte laut Tafel auch Marx vorausgesehen: „[...] [D]ie von nationalem Boden losgelöste Industrie [hängt] einzig und allein vom Welthandel ab." Erfolge des Wupperverbands demonstrieren dazu an Details das ausgleichende Pendant: So wurde im Wuppertaler Stadtteil Sonnborn eine Flussstrecke renaturiert, und es siedeln wieder Lachse. Dass Langerocks Werke, jedes ein Blickfang, so viel Harmonie und Schönheit ausstrahlen, mag man keineswegs als Schönfärberei auslegen: Die Natur so bildstark in Szene zu setzen, schärft eher das Bewusstsein dafür, wie schützenswert sie ist.
Produktivkraft Fluss: Friedrich Engels und die Zukunft post-industrieller Flüsse | bis 9.1.2022 | Von der Heydt-Kunsthalle Wuppertal Barmen | 0202 563 65 71
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