Ein mächtiger Portikus mit Freitreppe, Säulen und Dreiecksgiebel, ein stolzer Bronze-Bismarck daneben – kein Zweifel, Barmens Ruhmeshalle von 1897 wirkt respekteinflößend. Und erst mal gar nicht so sehr wie ein „Haus der Jugend“ mit integrierter Kunsthalle. Deren Betreiber, das Team um Kunstprofessorin Katja Pfeiffer von der Bergischen Universität, wollen mit Avantgardekunst zu aktuellen Themen den öffentlichen Dialog mit der Wuppertaler Bevölkerung ankurbeln. Dazu braucht es einladende Signale: Um die einschüchternde Strenge des Bauwerks zu karikieren, hat der Künstler Ivo Kiefer anlässlich der neuen Ausstellung schnodderig bemalte Leinwandfetzen und Holzlatten mit Stricken oben an die Säulen gebunden. Und auf dem Vorplatz will ein provisorisches Veranstaltungsforum aus farbigen Holzsitzelementen nebst Blumenhochbeeten die Schwellenängste nehmen. Eintritt ist frei, also: Treppen hoch, bis in die zweite Etage! Der Ausstellungstrakt der Kunsthalle besteht aus fünf Räumen mit zurzeit rund 20 Werken von Etablierten wie Francisco de Goya, Daniel Richter oder Christiane Möbus neben denen junger Kunststudierenden – luftig und gleichwertig arrangiert.
„Do worry, be happy“ – der Ausstellungstitel ermutigt dazu, sich bei Laune zu halten, trotz aller Sorgen und Ängste vor Vergänglichkeit, Verlust oder Übernatürlichem, vor gesellschaftlichen Verwerfungen, Kriegen und Klimawandel. Ein Tanz auf der Rasierklinge. Für dieses Dilemma haben die ausgewählten 19 Kunstschaffenden ureigene ästhetische Verarbeitungsstrategien gefunden: Mit unterschiedlichen Blickwinkeln, Techniken und Medien gestalten sie ihre Anliegen als Statement oder Klage, mal persönlich, mal gesellschaftskritisch, konkret, verrätselt oder mit Galgenhumor. Malerei, Film, Fotografie, Collage, verwelkte Grabbuketts, präparierte tote Tiere auf nacktem Boden, malträtierte Plastikblumen, ein ausgebrannter Polizeiwagen, Ikonen und Küchenutensilien, Laufbänder aus Beton, historische Alpträume neben realen Angsträumen – alles dabei an Bedrohlichkeiten. Doch auch der silberne Rettungsring von Tudor Ciurescu (2023) in einer hell ausgestrahlten Nische ist letztlich keine Hilfe. Wer ihn mit Blitzlicht fotografiert, liest eine verstörende Aufschrift.
Es ist selten, dass bei einer so heterogenen Gruppenausstellung wirklich jedes Werk einprägsam überzeugt und dabei auf seine Art Unbehaglichkeit vermittelt. „Do worry“, ja, visuell gelingt das prima. Der Parcours hinterlässt latente Beunruhigung. Doch wo bleibt das Positive? (Gruseln kann man sich angesichts der Weltlage ja auch ganz ohne Kunst.) Für den „be happy“-Anteil sorgt die Kunstvermittlung. Die Broschüre für Kinder und Familien beispielsweise stellt zu jedem Werk spezifische Fragen, auf die man vielleicht selbst nicht gekommen wäre. Dies hilft nicht nur, sich der künstlerischen Intention anzunähern, sondern die eigene Haltung neu zu beleuchten. Konkretisieren verscheucht diffuse Ängste – und Austausch sowieso. Das Begleitprogramm lädt ein zu Führungen, Workshops oder Gesprächspodien draußen vor der Kunsthalle. Weiß man ja: Gemeinsam wird vielleicht nicht alles gut, aber besser erträglich.
Do Worry Be Happy | bis 31.8. | Kunsthalle Barmen, Wuppertal | kunsthallebarmen.de
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