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Titel als Instrument und Versprechen
Foto: Jan Schliecker

Der Titel macht den Film

29. Oktober 2015

Fördert die Diversifikation der Programme eine neue Originalität? – Verleih 11/15

In einer wissenschaftlichen Arbeit für die LMU München untersuchte die Diplom-Kauffrau Ursula Lindemeir vor ein paar Jahren „Wirkung und Einfluss von Filmtiteln auf den Erfolg des Films“. Lindemeir stellte fest, dass Spielfilmtitel für den Kinomarkt „besonders dann relevant sind, wenn nur wenig weitere Informationen über den Film vorhanden sind“ und Inhalt oder Schauspieler nicht als entscheidendes Verkaufsargument fungieren. Mittlerweile kämpfen nicht nur die Kinos mit immer mehr Filmen und deren Bewerbung. Während Sie diese Zeilen lesen, werden allein in Deutschland zweihundert Clips, E-Books und Filme veröffentlicht, die alle eins wollen: Aufmerksamkeit beziehungsweise Kunden. Das System der Bewerbung ist dabei on- und offline gleich: Neben einem Bild steht ein Titel, eventuell noch eine Satz oder eine Schlagzeile, fertig. Binnen weniger Sekunden entscheidet der Betrachter, ob er am Produkt interessiert ist, Zusatzinformationen oder einen Trailer sehen will – oder eben nicht.

Seit der Digitalisierung können die Kinos viele verschiedene Filme anbieten. Der sogenannte „Filmtitelanzeiger“, den viele Traditionshäuser noch über ihrem Eingang haben, reicht kaum mehr aus, um sämtliche Schienen- und Sonderprogramme zu nennen. Gleichzeitig bieten auch Schaufenster und Programmübersichten nur bedingt Platz, um umfassend alle Filme der Woche darzustellen. Im Oktober veröffentlichte die FFA eine GfK-Studie zu den jüngeren, 14- bis 39-jährigen Kinobesuchern, die seit Jahren weniger Kinotickets lösen. Das ernüchternde Ergebnis: 59 Prozent der 14- bis 19-Jährigen fühlen sich über das aktuelle Kinoprogramm wenig oder gar nicht informiert. Stand früher auch mal die Idee des Kinobesuchs vor der Wahl eines konkreten Films, ist es heute zunehmend umgekehrt: Der Filmauswahl, also der abgeschlossenen Informationsarbeit inklusive Abstimmung mit Freunden oder Familie, folgt der Kinobesuch.

Um die Informationsarbeit des Publikums überhaupt anzustoßen, müssen Produzenten und Verleiher neben Schlüsselbildern und überraschenden Inhalten also vor allem erfolgsversprechende Titel finden, die auch die kleinste Auflistung überstehen und zum Schmunzeln, Träumen oder Nachdenken anregen. Das Problem: Einerseits müssen Kinofilme am ersten Wochenende funktionieren, andererseits verlängert sich ihre Auswertung allein durchs Internet ins unendliche. Müssen Titel also zuallererst kurzfristig im Kino, sprich im Kontext aktueller Trends, oder langfristig auf allen Kanälen, quasi zeitlos, funktionieren? Einige Arthouse-Verleiher setzen bereits auf die langfristige Auswertung im Home-Entertainment-Bereich, während die Hollywood-Majors ihr Geld schnell mit Fortsetzungen oder Adaptionen verdienen wollen, deren Titel bereits auf anderen Kanälen erprobt und multipliziert wurden.

Dass ein Titel „typisch Kino“ ist, kommt immer mal wieder vor, vor allem wenn er beschreibend arbeitet oder bestimmte Typen und Milieus charakterisierend. Der Großteil der Filmnamen folgt jedoch lediglich Büchern, Fernsehserien und Videospielen. Die Kreation eines originellen, außergewöhnlichen Filmtitels kann also nur bei einem ebenso originellen Originalstoff gelingen. Vielleicht braucht es in den Verleih- und Produktionsetagen nach pfiffigen Drehbuchautoren dann auch wieder… Poeten.

Rüdiger Schmidt-Sodingen

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