Wenn es um Propaganda geht, darf es ruhig mal ein bisschen mehr sein: Gleich 17 lebende Pferde ließ der Komponist Gaspare Spontini 1809 zur Uraufführung seiner Oper „Fernand Cortez oder Die Eroberung von Mexiko“ auf die Opernbühne reiten, um die spanischen Eroberer ins rechte, imperiale Licht zu rücken. Aufwand und Kosten spielten keine so große Rolle, denn der Auftraggeber der Oper hatte die Spendierhosen an: Frankreichs Kaiser Napoleon Bonaparte.
Das protzig inszenierte Bühnenwerk sollte Stimmung machen für Napoleons Eroberung der Iberischen Halbinsel. Und es mutet heute geradezu absurd an, dass ausgerechnet die spanischen Invasoren auf der Bühne, die tapfer und ruhmreich erscheinen, mit den französischen Besatzungstruppen identifiziert werden sollten, während die blutrünstigen Azteken als Ureinwohner Mexikos stellvertretend für die grausame spanische Inquisition stehen.
Inwieweit dieses arg um die Ecke gedachte Konzept beim Publikum verfing, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Allerdings sank der Stern des Propaganda-Werks wohl im gleichen Maße, wie der Widerstand von Spaniern und Portugiesen gegen die französischen Besatzer wuchs. Und im 20. Jahrhundert war Spontinis Œuvre gar vollständig von den Bühnen verschwunden. Zu Unrecht sagt Merle Fahrholz, die als Chefdramaturgin die Neuinszenierung des Dreiakters am Theater Dortmund begleitet hat: „Spontini ist ein wahnsinnig spannender Komponist. Er hat nicht nur der französischen Grand Opéra den Weg bereitet, sondern auch den Stil Richard Wagners beeinflusst.“ So ist die Dortmunder Produktion auch im Zusammenhang mit den Dortmunder Wagner-Aufführungen (am 21. Mai wird Peter Konwitschnys Walküre Premiere haben) zu verstehen. Eva-Maria Höckmayr inszeniert die dritte Fassung der mehrfach überarbeiteten Oper als deutsche Erstaufführung in französischer Sprache. Am Pult der Dortmunder Philharmoniker wird der junge Kapellmeister Christoph Müller stehen. Die Titelpartie wird der gebürtige Dortmunder Tenor Mirko Roschkowski als Gast singen, seine Geliebte Amazily gibt die französisch-armenische Sopranistin Melody Louledjian. James Lee singt den Telasco, Sungho Kim den Alvar, Mandla Mndebele den König Montezuma, Morgan Moody den Morales.
Fernand Cortez oder Die Eroberung von Mexiko | 7.4., 20.5. 19.30 Uhr, 24.4., 8.5. 18 Uhr | Opernhaus Dortmund | 0231 502 72 22
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