The Father
Großbritannien, Frankreich 2020, Laufzeit: 98 Min., FSK 6
Regie: Florian Zeller
Darsteller: Anthony Hopkins, Olivia Colman, Rufus Sewell
>> tobis.de/film/the-father
Großartig
Raspa (384), 13.06.2022
Matt513 hat den Film schon überaus treffend beschrieben, so dass ich eigentlich nicht mehr viel hinzufügen muss. Auch ich habe schon einige Filme zum Thema "Demenz" gesehen, darunter ausgezeichnete wie z.B. "Iris" über die letzten Jahre von Iris Murdoch, und leider auch einen so missratenenen wie "Honig im Kopf". "The Father" unterscheidet sich aber von allen anderen durch die Perspektive - Matt513 hat dies ja erklärt - , die einem als Zuschauer regelrecht den Boden unter den Füßen wegzieht. Ein Aspekt, der mich noch sehr berührt hat, weil ich einen ähnlichen Fall selbst erlebt habe, ist die schreckliche Ungerechtigkeit, mit der der alte Mann die verstorbene Tochter idealisiert und damit die andere, die sich für ihn aufopfert, immer wieder vor den Kopf stößt. Hopkins deutet in einem Interview an, dass sein eigener Vater sich ihm gegenüber ähnlich verhalten habe und dass es ein seltsames Gefühl gewesen sei, im Grunde den Charakter seines Vaters am Ende von dessen Leben nachzuzeichnen. Nun, woraus er auch geschöpft haben mag, seine Darstellungskunst ist grandios und gar nicht hoch genug einzuschätzen. Unbedingt sehenswert also!
Gespenstisch
Matt513 (266), 01.04.2022
Demenz, dieses tragische Lebensurteil, überzeugend und dabei auch begreifbar in bewegte Bilder zu setzen, dazu sind verschiedene Ansätze denkbar bzw. hat es bereits entsprechende Beispiele (hier vorliegend auch für die Bühne) gegeben.
Zeller macht dies besonders eindringlich: Ohne jegliche Vorwarnung nämlich läßt er den Zuschauer gewissermaßen am eigenen Leib erleben, wie sich ein Demenzkranker vorkommen muß. Der Film beginnt und beiläufig nimmt man Einrichtung und Raumaufteilung von Hauptfigur Anthonys Behausung zur Kenntnis, ebenso wie erste Begegnungen mit verschiedenen Personen. Die Begegnungen wiederholen sich und plötzlich schleichen sich Ungereimtheiten ein; dieser junge Mann dort, hieß der nicht eben noch anders, jene dort, stand sie nicht in anderer Beziehung zu Anthony? Und überhaupt, da war doch vorhin eine andere Einbauküche.. oder nicht? Der Blick aus dem Fenster, da war doch vorhin was anderes zu sehen.. oder? Man runzelt die Stirn; langsam steigt Unsicherheit auf, beginnt man an den eigenen Sinneseindrücken zu zweifeln - bis man versteht.
Für seine Darstellung hat Hopkins jeden Zentimeter seines Oscars verdient gehabt. Ich persönlich brauchte am Anfang etwas, bis ich das Bild von Dr. Lecter aus meinem Kopf 'raus hatte ;), zumal er hier auch minimal in Richtung eines, nennen wir's mal, manipulativen, alten Mannes spielt. Aber danach läuft er zu Höchstform auf. Über den Lauf des Films wird er zu einem hilflosen, weinenden Kind. Schon auf dem Set hatte Hopkins' überzeugendes Spiel zu Tränen gerührt. Und ich war ganz ergriffen. Demenz ist grausam; sie zerstört den Mensch besonders perfide. Als Außenstehender kann man nicht in den Kopf des Betroffenen blicken und somit kaum begreifen, was für ein fürchterliches inneres Gefängnis der Verlust der ratio bedeutet. Eigentlich ist der Film für solche, die es witzig finden, wenn alte Menschen tatterig werden, den Kontakt zur Realität verlieren. Vielleicht regt er zu mehr Empathie an.
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