Der Spanier Paco Roca hat mit „Der Winter des Zeichners“ bereits die beschnittene Meinungsfreiheit im Spanien der Franco-Ära thematisiert. Nun geht er weiter in der Geschichte zurück und erzählt von den Kämpfern im Spanischen Bürgerkrieg, die nach der Niederlage im Jahr 1939 ins Exil gingen. Nicht wenige von Ihnen kämpften dort weiter gegen den Faschismus. Roca erzählt in „Die Heimatlosen“ auf zwei Zeitebenen die fast vergessene Geschichte von jenen, die über Frankreich in Nordafrika landeten, wo sie die Deutschen besiegten, um danach wieder in Frankreich an der Seite der Résistance entscheidende Schlachten bis zur Befreiung von Paris zu schlagen. Der Rahmen eines Interviews mit einem alten Veteran in der Gegenwart wechselt sich ab mit dessen visuell umgesetzten Erinnerungen. Ersteres ist in schwarzweiß, letzteres in erdigen Farben erzählt. „Die Heimatlosen“ ist ein auf 300 Seiten angelegte Würdigung der spanischen Antifaschisten, die Kämpften, wo sie nur konnten, und das, obwohl sie als „Rote“ und Anarchisten nirgendwo gerne gesehen waren. Eine tragische Geschichte, war doch Spanien neben Portugal das einzige Land, in dem sich der Faschismus über Jahrzehnte halten sollte. Paco Roca setzt den Heimatlosen ein akkurat erzähltes und gezeichnetes Denkmal (Reprodukt).
Gerade wurde der Jaja Verlag mit dem V.O. STomps Förderpreis der Stadt Mainz für Qualität und persönliches Engagement im Bereich der Kleinverlagsszene ausgezeichnet. Sieht man sich die letzten, sehr unterschiedlichen Veröffentlichungen an, versteht man schnell: Mit „The Ballad of the Barefoot Bandit“ erzählt Alexandra Rügler die Geschichte des jugendlichen Miesterdiebs Colton Harris-Moore. Der Junge hatte zunächst nur Kleinkram entwendet, sich dann in Ferienwohnungen eingerichtet und schließlich Boote und gar Flugzeuge geklaut und wurde vom Volk als Held gefeiert, weil er der Polizei immer wieder ein Schnippchen schlug. In rohen, holzschnittartigen Bildern erzählt der Comic die turbulente Geschichte als Volkslegende. „Nomaden“ von Jan Vismann ist ungleich surrealer: Ein bärtiger Kauz, ein Roboter, ein Mädchen, ein Außerirdischer, die „Wächter“ und ein magischer Stein sind die Protagonisten dieser eigentümlichen und zum Ende ganz schön schwindelig machenden Geschichte. „Tobisch“ von Joachim Brandenberg erinnert wiederum an die aufwendigen Mixed-Media-Arbeiten von Dave McKean und Neil Gaiman aus den 90er Jahren. Die Adaption einer Kurzgeschichte von O. Henry erzählt von einem Einwanderer, der seine Frau verloren hat und diese nun dem Wahnsinn nahe sucht. Die tragikomische Erzählung findet in der erstaunlichen visuellen Umsetzung eine so heitere wie faszinierende Ergänzung.
Auch Rotopol Press ist ein verdienstvoller Kleinverlag, der Experimente wagt. Dort erscheinen neben narrativen Werken auch Leporellos, Postkarten, Skizzenhefte u.Ä. Zuletzt erschien hier der zweite Band der „Ambient-Comics“ von Nadine Redlich. Hier kann man in aller Ruhe beobachten, wie sich die Zeit in eine Comicerzählung einschreibt. Redlich stellt in jeweils sechs Bildern pro Seite Bartwuchs, den Bau eines Spinnennetzes oder einen vorüber fahrenden Zug dar. Das Ergebnis ist nicht nur ebenso beruhigend für die Seele wie die Namen gebende Ambient-Music, es ist auch um ein vielfaches komischer. Kein Wunder, dass Nicolas Mahler das Vorwort für den ersten Band geschrieben hat: Das ist reinster Minimalismus mit maximalem Effekt (Rotopol Press).
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