Als Charles Baudelaire seine im Band „Les Fleurs du Mal“ zusammengestellten Gedichte schrieb, war er nicht selten mit Opium oder Haschich versorgt. Einer seiner Bewunderer und selbst Dichter, Georg Trakl, verband das Nötige mit dem Kreativen und schloss neben den ersten Veröffentlichungen in literarischen Zeitschriften ein Studium der Pharmazie ab. Nobelpreisträger William Faulkner griff auch gerne zur Flasche, aber entgegen dem Trend, nicht in seinen schöpferischen Phasen.
Die Liste über große Schriftsteller und ihren Hang zu Rauschmitteln ließe sich endlos fortführen. Zugleich muss ein literarischer Rausch nicht unbedingt einem Drogenrausch entsprechen. Beiden Aspekten widmet der vierte PoesiePalastRuhr, der in diesem Jahr durch verspätete Zuschusszahlungen des Landes NRW fast nicht stattgefunden hätte, ab morgen sein Augenmerk. Einen Rausch der Worte und „Wi[e]derworte“ bereitet seit den 80er Jahren die Dichterin Ulla Hahn. Dreißig Jahre nach ihrem Debüt „Herz über Kopf“ (1981) blickt die Person als Autorin zurück und stellt sich der einstigen jungen Poetin gegenüber (6. Oktober, Zentralbibliothek Essen). Die vierte Auflage des Lyrik-Festivals lässt aber nicht die gesprochene, sondern auch die gesungene Dichtkunst zu Wort kommen. Die von Helge Schneider entdeckte Eva Kurowski spielt mit ihrer Band gemütlichen Kellerjazz und erzählt dazu von einer „sozialistischen Kindheit im Ruhrgebiet“, die sie in ihrem Roman „Avanti Popoloch“ beschrieben hat. Eine amüsante Gradwanderung zwischen rauschhafter Kreativität und rauschhaftem Nonsense.
Mal kommt die Lust zu schreiben über das Trinken. Bei Thomas Gsellas Gedichten strömt die Trinkfreude in vielen Gedichten aus jedem Vers. Sein Titel „Blau unter Schwarzen“ erinnert etwas an die After-Show-Party eines CDU-Parteitages, meint aber eine Best-of-Lesung des Essener Satirikers (17. November, Schloss Oberhausen).
Der Abschluss des PoesieRuhrPalastes bleibt aber dem König der schreibenden Trinker vorbehalten: Charles Bukowski. Der sowohl in der Literatur als auch in der Pop-Kultur immer wieder zirkulierende Schriftsteller, Postangestellte und Tagelöhner wird am 18. November vom Berliner Theaterensemble „Bukowski waits for you“ rezitiert, vertont und mit anderen Autoren des „Underground“ wie Jörg Fauser verglichen (im Deutschen Museum für Binnenschifffahrt Duisburg). Bukowski arbeitete auch mal am Hafen – danach ging es aber an die Theke der Pferderennbahn, um bei einem Drink seine Wetten zu platzieren. Der Dichter berauscht sich also nicht nur an Worten.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Die Liebe und ihre Widersprüche
„Tagebuch einer Trennung“ von Lina Scheynius – Textwelten 11/25
Inmitten des Schweigens
„Aga“ von Agnieszka Lessmann – Literatur 11/25
Mut zum Nein
„Nein ist ein wichtiges Wort“ von Bharti Singh – Vorlesung 10/25
Kindheitserinnerungen
„Geheimnis“ von Monika Helfer und Linus Baumschlager – Vorlesung 10/25
Im Spiegel des Anderen
„Der Junge im Taxi“ von Sylvain Prudhomme – Textwelten 10/25
Die Front zwischen Frauenschenkeln
„Der Sohn und das Schneeflöckchen“ von Vernesa Berbo – Literatur 10/25
Alpinismus im Bilderbuch
„Auf in die Berge!“ von Katja Seifert – Vorlesung 09/25
Keine Angst vor Gewittern
„Donnerfee und Blitzfee“ von Han Kang – Vorlesung 09/25
Roman eines Nachgeborenen
„Buch der Gesichter“ von Marko Dinić – Literatur 09/25
Süß und bitter ist das Erwachsenwerden
„Fliegender Wechsel“ von Barbara Trapido – Textwelten 09/25
Geteilte Sorgen
„Lupo, was bedrückt dich?“ von Catherine Rayner – Vorlesung 08/25
Augen auf Entdeckungsreise
„Jetzt geht’s los!“ von Philip Waechter – Vorlesung 08/25
Erste Male zwischen den Welten
„Amphibium“ von Tyler Wetherall – Literatur 08/25
Düster und sinnlich
„Das hier ist nicht Miami“ von Fernanda Melchor – Textwelten 08/25
Die Kraft der Erinnerung
„Das Geschenk des Elefanten“ von Tanja Wenz – Vorlesung 07/25
Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25