trailer: Frau Kavermann, wie sieht die Kinderarmut am Borsigweg in Bottrop aus?
Cornelia Kavermann: An der Kleidung wird oft gespart. Zu kleine Schuhe sind aber für wachsende Kinderfüße nicht gut. Unsere Kindertageseinrichtung hatte auch oft Probleme, das Essensgeld von den Eltern einzusammeln. Nach unserer Erfahrung waren die Eltern zwar sparsam genug, hatten aber doch keine Chance, genug auf die Seite zu legen. Inzwischen übernimmt das Jugendamt diese Kosten für Kinder von Hartz IV-Empfänger. Das ist eine große Erleichterung. Viele Kinder im Borsigweg können aber nicht das machen, was bei anderen Familien selbstverständlich ist: ein Kinobesuch, ein Zoobesuch, Ausflüge. Fast alle Familien hier haben kein Auto. In Bottrop gibt es auch noch kein Sozialticket. So bleiben die Kinder in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld.
Ist das ein Problem?
Der Borsigweg befindet sich zwischen der Halde Beckstraße mit dem berühmten Tetraeder, einer hohen Fabrikmauer und einer vielbefahrenen Straße. Die Häuser der ehemaligen Obdachlosensiedlung wurden in absoluter Schlichtbauweise in den 1960er Jahren gebaut. Hier sind Flüchtlingsfamilien untergebracht und auch alleinstehende Obdachlose. Manche Familien wohnen aber auch schon seit 50 Jahren hier, haben ihre gesellschaftliche Stellung von Generation zu Generation weitergegeben.
Was wünschen Sie sich für die betroffenen Kinder?
Die finanzielle Situation müsste extrem verbessert werden. Kindergeld wird sogar an Familien gezahlt, die ein monatliches Einkommen von 50.000 Euro haben. Bei Hartz IV-Empfängern wird es verrechnet.
Was halten Sie von der Bildungschipkarte?
Vielen Familien ist der bürokratische Aufwand zu hoch, selbst für ihre Kinder passende Kursangebote zu finden. Es sollte eher den Einrichtungen geholfen werden, die gezielt vor Ort bedürftige Kinder unterstützen.

Die spätrömische Dekadenz, die Guido Westerwelle den Hartz IV-Empfängern bescheinigte, ist am Borsigweg nicht anzutreffen?
Dekadenz habe ich hier noch nicht erlebt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Eltern am Borsigweg ihren Kindern alle Wege öffnen würden, wenn sie es nur könnten.
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