Politischer Druck und besetzte Bäume
Im Osterholz, einem Waldgebiet an der Grenze zwischen Wuppertal und Haan, sollen rund fünf Hektar Bäume abgeholzt werden, damit dort eine Kalkabraumhalde der Kalkwerke Oetelshofen erweitert werden kann. Deren Geschäftsführung beteuert, ohne die Erweiterung sei die Zukunft des Unternehmens gefährdet. Gegen diese Rodungspläne kämpfen jedoch Umweltschützer der Bürgerinitiative „Osterholz Bleibt“, heben die ökologische Bedeutung des Waldes hervor, haben seit Sommer 2019 Demonstrationen in Vohwinkel sowie in der Elberfelder Innenstadt veranstaltet und zu regelmäßigen Waldspaziergängen eingeladen. So erschienen nun im August knapp 70 Menschen zum ersten gemeinsamen Spaziergang nach der coronabedingten Zwangspause.
„Ich setze mich für den Wald ein, weil ich meinen Kindern gegenüber eine Verantwortung habe“, erklärt im Anschluss an die Veranstaltung Marjolein Schlüter, eine Sprecherin der Initiative. Stefan Kottas, ebenfalls Gründungsmitglied, sieht es genauso und ergänzt, sein Ziel sei es, „die Klimakatastrophe auch hier in kleinen Schritten abzuwenden“. Konkret könne auf die Rodung verzichtet werden, wenn man konsequent bereits ausgebeutete Gruben mit dem Abraum auffülle (sog. Innenverkippung). Außerdem seien schützenswerte Tier- und Pflanzenarten gefunden worden, etwa Orchideen, Frösche, Kröten und Feuersalamander. Da das betreffende Planfeststellungsverfahren von der zuständigen Bezirksregierung in Düsseldorf noch nicht abgeschlossen ist, fordert der Vohwinkeler von dieser, „dass sie alle Informationen gewissenhaft prüft – und zwar nicht nur die Gutachten, die sie von der Firma Oetelshofen bekommen hat, sondern auch das, was darin fehlt: Arten, die auf der roten Liste stehen.“
Politischer Druck und besetzte Bäume
Elmar Stertenbrink, ein Forstwirt aus Erkrath, hatte erst kürzlich von einem Bekannten von den Abholzungsplänen erfahren und war nun zum ersten Mal beim Waldspaziergang. Er analysiert, dass „wirtschaftliches Interesse auf Natur trifft und die Natur die schwächere Lobby hat.“ Darum sei es besonders wichtig, schnellstmöglich mehr Aufmerksamkeit auf das Osterholz zu lenken: „Ich glaube, dass man in die Öffentlichkeit – also in die Fußgängerzonen – gehen muss. Wir stehen vor einer Kommunalwahl und das Thema muss Wahlkampfthema werden.“ Stertenbrink, der sich in seiner Heimatstadt selbst in einer Bürgerinitiative engagiert, weiß: „Die ehrenamtliche Arbeit, die hier geleistet wird, frisst sehr viel Zeit und ist zermürbend. Man muss sich in diesem Widerstand aufopfern, um ihn stattfinden zu lassen.“
Teil dieses Wiederstands ist seit August 2019 auch eine Gruppe Waldbesetzer der Initiative „Jeder Baum zählt“. Eine junge Frau, die sich „Fuchs“nennt, meint: „Jedes Stückchen Wald muss jetzt geschützt werden. Darum kämpfen wir um jeden Baum.“ Marjolein Schlüter freut sich über die Unterstützung und erklärt, man habe das gleiche Ziel und helfe sich gegenseitig. Sie schwärmt: „Ich würde niemals in ein 20 Meter hohes Baumhaus klettern. Und die waren auch im Winter hier. Das bewundere ich.“ Trotzdem sei Umweltschutz Knochenarbeit und man komme „nur schwer gegen den Lobbyismus an“. Ans Aufgeben denkt sie trotzdem nicht und erklärt: „Ich habe mir von Anfang an gesagt, dass ich gewinnen oder verlieren kann. Aber ich kann nicht nichts tun“. Ein Erfolg sei es zudem, dass die Fällungen, die ursprünglich Ende 2019 starten sollten, bislang noch nicht stattgefunden haben. „Wir haben es geschafft, dass der Wald noch steht.“
Die Spaziergänge finden an jedem ersten Sonntag im Monat statt. Man trifft sich am 6.9., 4.10., 1.11., und am 6.12. jeweils um 14 Uhr am Haaner Wanderparkplatz Hermgesberg.
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