The Wolf of Wall Street
USA 2013, Laufzeit: 179 Min., FSK 16
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Margot Robbie, Matthew McConaughey, Kyle Chandler, Rob Reiner, Jon Bernthal, Jon Favreau, Jean Dujardin
>> www.wolf-of-wall-street.de
Saftige Gesellschaftssatire
Gemein und gescheit
„The Wolf of Wall Street” von Martin Scorsese
Das Leben im Rausch. Das Haus, die Yacht, der Blowjob im weißen Ferrari. Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) hat es geschafft. Das neue Drama von Martin Scorsese erzählt davon, wie. Belfort gibt es wirklich, der Film beruht auf seiner Autobiografie. Flink, klug und gewissenlos gelang Belfort in den 1980ern und 90ern der Sprung in den Olymp der Finanzwelt. Der Film setzt ein, als er mit 21 Jahren als kleiner, unerfahrener Börsenmakler unter der Obhut seines Mentors Mark Hanna (irrwitzig grandios: Matthew McConaughey) die ersten Schritte ins Finanzwesen erlernt. Belfort wird mit dem Telefonhörer in der Hand auf Kunden angesetzt. „Dial and Smile – Fuck the Clients“, predigt Mark und reibt sich die Koksnase. Dann der 19. Oktober 1987. Black Monday. Belfort verliert seinen Job, muss sich neu orientieren und baut mit dem bauernschlauen Donnie Azoff (Jonah Hill, „Moneyball“) und alten Kumpels die eigene Firma auf. Die Jungs, eine Autowerkstatt und eine Handvoll Telefone bilden den Grundstock für ein Unternehmen, das Belfort zum schwerreichen Mann macht. Den Erfolg kürt er mit Orgien, Drogen und einem blonden Model als neue Ehefrau.
180 Minuten spürt Scorsese dem Aufstieg und - vorübergehenden - Fall Belforts nach. Die Grenze zwischen Drama und Komödie sind dabei fließend. Während die familiären Konflikte, in die sich der Held verstrickt, noch tragisch wiegen, verpackt Scorsese das Drumherum als ironischen Blick auf eine zynische Welt gewissenloser Geldverkäufer, deren Erfolg sich darauf gründet, dass in einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft schlichtweg jeder reich sein will. Fast jeder von uns träumt davon, ein Belfort zu sein, den meisten fehlt bloß das archaische Gespür, das gerissene Kalkül, die moralische Verachtung, die rhetorische Finesse und die Durchsetzungskraft, die zum sogenannten und hier eindrucksvoll bebilderten Erfolg führen. Die meisten bleiben gewissenlose Schafe, der eine oder andere aber schafft es zum gewissenlosen Wolf namens Belfort. Und wenn die Welt schon so kaputt ist, dann darf man auch darüber lachen, findet Scorsese.
Zu Recht. Wenn Belfort wild gestikulierend seine Kunden am Telefon große Geldsummen abgaunert, wenn er irrwitzig ausschweifend sein Leben zelebriert, wenn er mit dem Schweizer Bankier (Jean Dujardin, „The Artist“) amüsiert über Interessen- und Sprachbarrieren stolpert, dann ist das nicht bloß bestürzt inszeniert. Scorsese gestaltet sein Drama augenzwinkernd und gestattet sich dabei, großzügig das Klischee zu bedienen, wonach Regisseure mit zunehmendem Alter verstärkt auf nackte weibliche Reize setzen.
Das Werk ist gelungen. Gelungener als die letzten Filme Scorseses, der sich seit „Gangs of New York“ irgendwo zwischen Kostümoverkill, Starkino, Opulenz und souveräner Routine festgefahren hatte, dabei aber wenig Nachhaltiges hinterließ. In „The Wolf of Wall Street“ liefert Scorsese die eine oder andere visuelle Spitze, konzentriert sich jedoch insgesamt auf solides, aber stilvolles Handwerk, mit dem er die großartigen Dialoge und das überzeugende Spiel seiner Darsteller in den Vordergrund rückt. Vor der Kamera überzeugt allen voran Leonardo DiCaprio, der sich hier um den Verstand spielt und meisterlich chargiert als Animateur der Gewissenlosen, als Lebemann und Penthouse-Junkie, und dabei erinnert er zuweilen an Jack Nicholson und Marlon Brando.
Und Jordan Belfort? Der 51-Jährige saß für seine dubiosen Geschäfte 22 Monate lang im Gefängnis, arbeitet seitdem als Unternehmensberater und Motivationstrainer und verfasste die Vorlage zu dieser kurzweiligen, mitreißenden Gesellschaftssatire, bombastisch und dreckig, witzig und erschütternd, gemein und gescheit.
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