Freiheit! Es ist dieser Ruf eines Kontinents mit schier unbegrenzten Möglichkeiten, der bis heute eine ungemeine Kraft verbreitet. Ist hier wirklich von Europa die Rede? Unbedingt! Wieso würden sonst hunderttausende Flüchtlinge ihr Leben auf wackligen Mittelmeer-Booten aufs Spiel setzen, um hierher zu gelangen? Und wieso riskierten vor zwei Jahren die Demonstranten auf dem Kiewer Majdan-Platz den Tod, um für eine Annäherung ihres Landes an einen Kontinent der Möglichkeiten ihre Stimmen zu erheben?
Gut, mögen jetzt einige erwidern. Weder den Flüchtlingen noch den Majdan-Demonstranten ginge es doch primär um die europäische Freiheit. Vielmehr stünden bei beiden Gruppen auch diffuse egoistische und materialistische Interessen im Raum. Interessanterweise kommen solche Einwände häufig aus jenen Regionen, die sich vor knapp 30 Jahren noch selbst den Vorwurf anhören mussten, sie würden zwar laut „Freiheit“ rufen, sich aber in Wirklichkeit vor allem nach Neckermannreisen, Golf GTIs und Supermarktbananen sehnen.
Dabei ist die Freiheit heute einer der tragenden Säulen des Kontinents, wenn nicht seine wichtigste Idee. Sie ist es umso mehr, als dass sie sich, anders als ihr amerikanisches Pendant, nicht vor allem über die Selbstverwirklichung des Einzelnen definiert, sondern auch für sozialen Ausgleich, kulturellen Dialog und eine Identität der Vielfältigkeit steht. In Europa hat der Einzelne enorme Möglichkeiten. Aber er lebt auch in einem System, das ihn bei der Umsetzung dieser Möglichkeiten kräftig unterstützt.
Nur weil diese freiheitlichen Errungenschaften heute so selbstverständlich erscheinen, sollten wir sie nicht gering schätzen: Europäer können ohne Probleme in anderen Ländern des Kontinents studieren und arbeiten, sie können mal eben für ein Wochenende nach Barcelona fliegen und brauchen dafür weder Pass noch Geldwechsel, Menschen mit den unterschiedlichsten politischen, sexuellen und religiösen Interessen dürfen ihren Lebensstil und ihre Wertvorstellungen nicht nur ausleben, sondern auch öffentlich dafür werben.
Was nicht heißt, dass man nicht auch an Europa verzweifeln kann. Stichwort Brexit, Österreich-Wahl und kontinentaler Rechtsruck: Wieso kann es Populisten überhaupt gelingen, die EU als graues Bürokratie-Monster aussehen zu lassen? Wieso gibt es keine geeinte Stimme, welche die unglaublichen Errungenschaften des Kontinents kraftvoll zu verteidigen versteht? Wieso beispielsweise verhält sich die EU, als sie es vor Jahren endlich fertig gebracht hat, sich auf einen einheitlichen Repräsentanten ihrer hohen Werte zu einigen, bei der Besetzung so, als ginge es um das Casting für „Schwiegertochter gesucht“?
Man muss nicht alles verstehen, was in Europa vor sich geht. Und doch lebt Europa. Und zwar vom Enthusiasmus jedes einzelnen. Es ist ein Hochgefühl der Freiheit, das jeder von uns verteidigen kann.
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