Alljährlich bekommt die Freie Theaterszene in Köln ihr kleines Ungenügend ins ästhetische Abschlusszeugnis geschrieben. Immer dann, wenn das Impulse-Theaterfestival sein Programm veröffentlicht und wieder mal keine Kölner Gruppe dabei ist. Der Frust entlädt sich dann entweder auf die Programmmacher oder auf die Kulturpolitik und Förderbedingungen der Stadt. In solch einer Situation ist es angebracht, das lehrt gerade die Politik, einen Ausschuss, eine Kommission oder eine Initiative zu gründen. Vor den Sommerferien riefen deshalb 60 freie Theaterhäuser, Ensembles und Theaterschaffende in Köln die Initiative Freies Theater Köln (IFT Köln) ins Leben. Sie soll als Dachorganisation die Anliegen der Künstler und Künstlerinnen endlich an der richtigen politischen Stelle vorbringen.
In Sachen Initiativen war Köln Avantgarde. Immerhin gründete sich 1979 auf Anregung von Jürgen Flimm, dem damaligen Intendanten des Schauspiels, die Kölner Theaterkonferenz. Ihr gehörten damals nicht nur das städtische Schauspiel, sondern zahlreiche freie Gruppen und Häuser an. Ihr Anliegen: Die Interessen der Theater der Politik gegenüber besser zu vertreten. Zur Kölner Initiativengeschichte gehört allerdings auch, dass es immer wieder Abspaltungen gegeben hat; dann wieder zeterte der Tanz angesichts der Schauspiel- und Performance-Übermacht. Nicht zuletzt wurden Intrigen ins Werk gesetzt, um missliebige Vorstände in die Wüste zu schicken.
Die Schlagkraft der neuen IFT Köln soll daher rühren, dass bisher getrennt agierenden Initiativen wie die Theaterkonferenz und ihr Konkurrent Plattform Kölner Theater nun gemeinsam vorgehen wollen und dabei die noch nicht Organisierten gleich mit eingesammelt wurden. Ihre Ziele aber, so scheint es, haben sich in all den Jahren nicht grundlegend geändert. Sie umfassen die Forderungen nach mehr Geld, nach besseren Proben- und Aufführungsmöglichkeiten, nach bedarfsgerechter Ausgestaltung der Förderinstrumente und überregionale Sichtbarkeit. Ein Arbeitskreis soll eine Online-Umfrage entwickeln, bevor im Oktober das nächste große Treffen stattfindet. Ob die Politik in Stadt, Land und Bund willfähriger wird, darf bezweifelt werden. Vermutlich muss aber jede Generation ihre eigene Initiative gründen.
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