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Insolvenz rückwärts

19. Dezember 2013

Ungewöhnliche Erzählformen im Comic - Comickultur 01/14

Kurz bevor 1986 die beiden bahnbrechenden Superhelden-Comics „Watchmen“ von Allan Moore und „Batman“ von Frank Miller das Genre nachhaltig dekonstruierten, hat bereits Dean Motter die Postmoderne in den Comic getragen: 1985 erschien die von ihm konzipierte Serie um den drogensüchtigen Wissenschaftler „Mister X“, dessen Zukunftsvision einer Stadt zum Alptraum mutiert ist. Nun will er die Entgleisung korrigieren. Gezeichnet wurde die Serie von damals noch wenig bekannten Erneuerern des Comics wie Seth oder den Hernandez Brothers. Cooles New Wave-Design paart sich mit Film Noir-Referenzen, Selbstreferentialität und trockener Humor charakterisieren die einflussreiche Serie, die nun erstmals auf deutsch in einem dicken Hardcover-Band erscheint (Schreiber & Leser). Mit „Liongos Lied“ erscheint der zweite und letzte Teil von Benjamin Flaos „Kililana Song“. Flao entfaltet mit seinen prächtigen Farbzeichnungen eine spannende Geschichte um den Alltag an der Küste Kenias, die Auswüchse des Tourismus, Drogenhandel und Geistergeschichten. Im Zentrum steht der Junge Naim, der in Lamu lebt, einer Stadt, die zum Weltkulturerbe gehört (Schreiber & Leser).

In Zusammenarbeit mit Philippe Otié erzählt der chinesische Zeichner Li Kunwu in „Ein Leben in China“ in epischer Breite seine Autobiografie von der Zeit Maos bis zur Gegenwart. Der Abschlussband „Die Zeit des Geldes“ beginnt 1980 und endet in der Gegenwart. Die groben Zeichnungen unterstreichen die Unsicherheit des Protagonisten, dessen Land sich in den letzten 60 Jahren seines Lebens so sehr verändert hat und voller Widersprüche steckt (Edition Moderne). Mit „Apollinaire“ erscheint der zweite Band der Pablo Picasso-Biografie „Pablo“ von Julie Birmant und Clément Oubrerie. Nachdem im ersten Teil sein bester Freund gestorben ist, streunt Pablo verzweifelt durch Montmartre, unterhält eine Auf-und-Ab-Beziehung zu seiner Muse Fernand und lernt neben Apollinaire auch Gertrude Stein kennen. Die tollen Farbzeichnungen entführen in ein mit trockenem Humor skizziertes wildes Paris des angehenden 20. Jahrhunderts (Reprodukt). Comic-Ignoranten gibt es in Frankreich nicht so viele wie in Deutschland. Dennoch muss Étienne Davodeau mit seinem Winzer-Freund Richard ein Abkommen schließen, um ihn in die Kunst der Comics einführen zu dürfen: Im Gegenzug muss sich Étienne mit der Winzerei beschäftigen. Schnell erkennen die beiden allerlei Parallelen zwischen ihren Professionen. „Die Ignoranten“ erzählt in detaillierten Schwarzweiß-Zeichnungen von einer Annäherung, von der Leidenschaft und der Gabe der Neugier (Ehapa).

Sachcomics erfahren zur Zeit eine Renaissance. Neben biografischen Comics und Reportagen sind thematische Sachcomics noch eine Seltenheit. Mit „Economics“ haben sich Michael Goodwin und Dan E. Burr vorgenommen, per Comic zu erklären, „wie unsere Wirtschaft funktioniert (oder auch nicht)“. Ähnlich wie bei Scott McClouds berühmten Comics über das Medium Comic führt eine Figur durch das Buch und erläutert textreich, aber im klassischen Comicaufbau das Thema kritisch und fundiert. Die Bilder veranschaulichen, kommentieren oder ergänzen den Textblock. Über 300 Seiten kann das zwischendurch auch mal ermüden, bei leichter Verwirrung hilft das Glossar (Jacoby & Stuart). Wem da das Narrative fehlt, dem sei „Scheitern als Erfolg“ von David Cantolla empfohlen. Der Absturz des Unternehmers Cantolla nach der IT-Blase wird rückwärts erzählt. Das stellt die innere Logik auf den Kopf und führt zu überraschenden Erkenntnissen. Jan Diaz-Faes erzählt die autobiografische Insolvenz in schlichten Zeichnungen.

CHRIstIAN MeYeR

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