An vielen Wuppertaler Orten lässt sich im Engelsjahr der Revolutionär erkunden. Wer die Stadtgrenzen überschreiten mag und nicht gerade nach Manchester will, wird im Oberbergischen fündig: Engelskirchen ist trotz des Klangs zwar nicht etwa nach Engels benannt, gehört aber fest zur Biografie der Familie. „Ermen&Engels“: Unter diesem Namen gründete hier Friedrich Engels senior 1844 eine Baumwollspinnerei. Ein Grund war die produktionstechnisch günstige Lage: Die Wasserkraft des Flüsschens Agger machte der Betrieb sich für sein Hammerwerk zunutze. Hierher, in die Stadt und teils ins heutige Museum, lockt nun ein Doppelbeitrag zum Jubiläumsjahr, bestehend aus Kunst und Diskurs.
Künstler:innen beziehen hier im Stadtbild Position. Neben Beiträgen aus Schwelm oder Berlin sind mit Alexandra Pirici bzw. Dagna Jakubowska auch Kreative aus Bukarest und Warschau vertreten, und auch besagtes Manchester ist in Gestalt von „Quarantine“ immerhin künstlerisch anzutreffen. Das titelgebende Zitat zielt ab auf die Zeit nach den maschinellen Tätigkeiten, die für Marx wie Engels letztlich den Geist blockieren; Thema ist demnach das Leben ohne Arbeit dieser Art, aber auch deren zuvor bestimmende Rolle im Leben – sowie die Frage: Wer ist die arbeitende Klasse heute?
Freilich scheint der Ort fürs Engelsjahr nicht nur biografisch relevant. „Ermen&Engels“ erzählt offenkundig auch selbst eine Menge zu Problemen, wie sie den Denker gewiss interessiert hätten, zum Einspruch veranlasst oder zu luzider Analyse. Die Historie des Hauses liest sich wie eine Vorab-Variante heutiger Globalisierung und seiner Verwerfungen in puncto Lohndumping. Denn außer der Agger reizte auch der Faktor Mensch den alten Engels zur Ansiedlung, genauer die billige Arbeitskraft.
Später begann die Umwidmung zum LVR-Industriemuseum – und bei der Schließung hatte offenbar die Dumpingspirale vollends ihr Werk getan: Die sparsame Vergütung der Textil-Maloche in Fernost verfehlte nicht ihren Reiz, und man erlag dem Lockruf gen Asien. Auch so gesehen also ein passender Schauplatz zur Reflexion moderner Arbeit und ihrer Ärgernisse – und Anlass, für einen Kurzbesuch das Tal zu verlassen.
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