Man sagt, in einem Kalenderjahr vergehen sieben Internetjahre. Bezogen auf die technische Entwicklung. Wenn man bedenkt, dass das europäische Datenschutzrecht im Jahr 1995 beschlossen wurde, ist es 140 Internetjahre alt. Dennoch sind die Regeln aus dem Zeitalter, in dem es weder Google, noch Facebook oder Youtube gab, nach wie vor gültig. Höchste Zeit für ein Update. Doch das kann noch dauern.
Im Januar 2012 stellte die EU-Kommission den Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz vor. Es soll die technischen Neuerungen berücksichtigen und den Flickenteppich aus Regelungen in den 28 Mitgliedsstaaten ersetzen. Allerdings darf die Kommission Gesetze nur vorschlagen. Danach muss jedes Organ der EU eine eigene Version erarbeiten. In dieser Phase versuchen alle Lobbygruppen, die Organe zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Zur Datenschutzrichtlinie zog sich die Positionierung lange hin. Das EU-Parlament, das als einziges Organ direkt von den EU-Bürgern gewählt wird, hat seine Version im März 2014 verabschiedet. Diese will die Rechte der Bürger gegenüber datenverarbeitenden Unternehmen stärken. So plädiert das Parlament für ein Opt-In, also eine aktive Zustimmung des Verbrauchers, dass seine Daten genutzt werden dürfen. Außerdem sollen Unternehmen die Daten nur für den Zweck verwenden, für den der Nutzer die Erlaubnis gegeben hat. Auch Nutzerprofile sollen nicht mehr so leicht erstellt werden. Bei Zuwiderhandlung drohen Strafen bis zu 100 Millionen Euro oder 5 Prozent des Jahresumsatzes.
Der Rat der EU, der die Staatsregierungen vertritt, hat erst im Juni dieses Jahres eine Position beschlossen. Diese ist wirtschaftsfreundlicher als die des Parlaments. So sollen Unternehmen in diversen Ausnahmefällen persönliche Daten nutzen können, auch wenn der Nutzer nicht explizit zugestimmt hat. Außerdem sollen Daten für andere Zwecke benutzt und an Dritte weitergegeben werden dürfen, wenn es daran ein „berechtigtes Interesse“ gibt. Dafür fordern die Minister mehr Transparenz. So soll jede Person schnell und kostenlos erfahren können, wer welche Daten über sie gespeichert hat. Scoringverfahren, die nur auf der automatisierten Auswertung von Daten beruhen, sollen verboten werden. Als Höchststrafe für Verstöße schlägt der Rat 250.000 Euro oder 0,5 Prozent des Jahresumsatzes vor.
Nun haben die eigentlichen Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat begonnen. Bis Ende des Jahres ist ein Gesetzesentwurf geplant, der bis 2018 in Kraft treten soll. Ob dieser allerdings zum Tragen kommt, ist unklar. Denn durch die Freihandelsabkommen TTIP und TISA könnte die Richtlinie von den USA und Kanada umgegangen werden. Verbraucherschützer fordern daher, das Datenschutzrecht aus den Verhandlungen herauszuhalten. Laut internen Papieren ist das aber von den USA nicht gewünscht, da Unternehmen wie Google oder Facebook vom laxen europäischen Datenschutz profitieren. Ob und wem die neue Datenschutzrichtlinie nutzt, ist daher zurzeit noch völlig offen.
Aktiv im Thema
www.freiherr-knigge.de | Webseite von Benimm-Berater Moritz Freiherr Knigge
www.bündnis-gegen-cybermobbing.de | Verein Bündnis gegen Cybermobbing
www.bka.de | Das Bundeskriminalamt bietet Infos zu Internetkriminalität
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