Das Streichquartett gilt als die Königsdisziplin der klassischen Kammermusik. Doch kann auch das Streichtrio spannend wie ein Krimi sein, wenn Geige, Bratsche und Cello musikalisch miteinander kommunizieren. Sie können harmonieren, sich aber auch heftig auseinandersetzen. Entstanden ist diese Form aus dem dreistimmigen Satz ab Beginn des 17. Jahrhunderts. Wolfgang Amadeus Mozarts „Divertimento“ in Es-Dur (KV 563) aus dem Jahr 1788 gilt mit seinen gleichberechtigten Stimmen als Höhepunkt dieser Entwicklung, wovor die nachfolgenden Generationen hochachtungsvoll den Hut zogen und auch noch ziehen. Ins Zentrum Emmaus ist nun in der Reihe „Musik auf dem Cronenberg“ das Trio Manza gekommen, um einen Ausschnitt solcher Werke aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert vorzustellen.
Wie ein Krimi
Ludwig van Beethovens Trio in G-Dur ist das erste aus dem dreiteiligen, 1798 erschienenen Opus 9, also ein Frühwerk aus seiner ersten Wiener Dekade. Sie folgen auf die beiden Trios der Opera drei und acht und gelten als Vorläufer der sechs Streichquartette Opus 18. Im G-Dur-Werk ist der Weg hin zu großen musikalischen Form des Komponisten bereits sichtbar, etwa die langsame Einleitung hin zur schnelleren Passage im ersten Satz.
Dreimal hat sich Franz Schubert mit dem Streichtrio befasst. Von seiner ersten Beschäftigung damit in Jahr 1814 sind nur elf Takte des Anfangs vorhanden. Dagegen mündet seine dritte Auseinandersetzung in das vollständige viersätzige Trio (D 581). Sein zweiter Versuch 1816 blieb bis auf das Allegro und 39 Takte eines geplanten Andante einsätzig. Der vollständige Triosatz in B-Dur mit dem Deutsch-Verzeichnis 471 eröffnet den Abend.
Zoltán Kodály (1882-1967) reiste bekanntlich wie sein Kollege Béla Bartók (1881-1945) durch sein Heimatland Ungarn und dokumentierte die Volksmusik mit einem Phonographen. Über dieses Thema promovierte er auch. In dieser Zeit, 1905, entstand sein leichtes, ausgelassenes Intermezzo mit starken Bezügen zu seiner Forschungstätigkeit. Vorbild war die Serenade seines Landsmanns Ernö von Dohnányi (1877-1960).
Fortschritt des Genres
Zu Unrecht ist die Musik von Sergei Iwanowitsch Tenejew (1856-1915) in Westeuropa so gut wie unbekannt, ganz im Gegensatz zu seiner Heimat. Der russische Komponist war unter anderem Schüler von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Berühmte Musiker wie Sergei Rachmaninow und Alexander Skrjabin gingen bei ihm in die Lehre. Westliche Strömungen und die russischen Trends seiner Zeit kennzeichnen seine Musiksprache. Er interessierte sich sehr für barocke und klassische Werke und studierte intensiv die kontrapunktische Stimmführung. So gilt er als der größte Kontrapunktiker der russischen Musik. Präsentiert wird sein 1911 geschriebenes viersätziges Trio in Es-Dur, op. 31. Im Original verwendete er statt des Cellos die Viola Tenore. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das eine Oktave tiefer als die Geige, tiefer als eine Bratsche, aber höher als ein Cello gestimmt ist. Heute ist die Aufführung mit dem Cello üblich und legitim. Das Werk zeugt von seiner erstklassigen Kompositionstechnik. Gerade die Themen im ersten Satz entwickelt er brillant.
Dieses Programm gestaltet das Trio Manza ausgesprochen differenziert. Haupt-, Neben- und Begleitstimmen werden deutlich nachgezeichnet, musikalische Linienführungen nuanciert und mit feinen Phrasierungen zu Gehör gebracht. Die drei Musiker, die hautberuflich an den ersten Pulten von A-Orchestern sitzen, interagieren vorzüglich miteinander. Geiger Dragos Manza (Konzertmeister der Düsseldorfer Symphoniker), Kevin Treiber (Vorspieler der Bratschengruppe der Essener Philharmoniker) und Anne Yumino Weber (Solocellistin des Sinfonieorchesters Wuppertal) glänzen mit einer variablen wie volltönenden Tongebung und ausgezeichneter Akkuratesse hinsichtlich der anspruchsvollen Spieltechniken. So wird der kompositorische Fortschritt des Genres Streichtrios von Beethoven bis Kodály packend vermittelt.
Das Publikum zeigt sich zu Recht begeistert und bedankt sich mit lang anhaltendem Schlussapplaus für den im Konzertleben nicht alltäglichen Trioabend.
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