Die drei Musiker gehören mit zur Crème de la Crème des europäischen Modern Jazz: Trompeter Markus Stockhausen, Klarinettist Claudio Puntin und Pianist Florian Weber. Zahlreich sind die renommierten Preise, womit sie ausgezeichnet wurden. Umfangreich sind de Tonträger, die von ihrer musikalischen Klasse zeugen. Noch nie spielten sie als Trio miteinander – bis zu diesem Auftritt auf der sehr gut besuchten Insel. Insgesamt acht eigene Stücke haben sie mitgebracht.
Ab absurdum
Es sind „Wind“, „Wellen“ und „Sand“ aus Webers Naturzyklus, Puntins „Zum Hiersein verführt“ nach einem Gedicht des Schriftstellers Jean Gebser, ein Stück aus seiner Suite für Orgel und Klarinette sowie Stockhausens „C4“, „Nebula“ und „Easy“, die intensiv und dicht von der Bühne kommen. Basis sind, abgesehen vom quirligen „Sand“, ruhige Melodiefolgen teils elegischen Charakters. Dabei harmonieren die drei Musiker bei den fest komponierten Passagen, auch bei rhythmisch komplizierten Unisoni. Bei den Improvisationen, die oft tradierte Schemata ad absurdum führen, hin zu freitonalen, raffiniert sich entwickelnden Interpretationen der Themen, glänzen die beiden Bläser mit einer großen Palette an emotionalen Tongebungen. Dieser hohen Güte steht Weber in nichts nach.
Das Trio hat sicht- und hörbar großen Spaß am Zusammenspiel. Das kommt richtig gut an. Der nicht enden wollende Schlussapplaus mündet aber verständlicherweise in keine Zugabe angesichts der rund 90minütigen Dauer des Konzerts non-stop, dem nach einer längeren Umbaupause der Auftritt einer weiteren Band folgt.
Reihen lichten sich
Es handelt sich um das Felix Hauptmann Quartett, dessen frei improvisierte Musik ein Publikumsverhalten auslöst, wie es wohl nur äußerst selten im Konzertleben vorkommt. Denn die bis dahin vollen Sitzreihen lichten sich erheblich, will heißen: Das Ensemble spielt den Saal auf der Insel leer. Man kann davon ausgehen, dass die Besucher ein Verständnis für das Genre haben, zumal Wuppertal zu Lebzeiten der in der Stadt wohnhaften Free-Jazz-Musiker Peter Brötzmann, Peter Kowald und Hans Reichel international als eine Hochburg dieses Stils galt, der hier nach wie vor gepflegt wird. Wenn also die Musikliebhaber das Konzert verlassen, dann wohl aus einem guten Grund.
Minimum des Machbaren
Bei dem Ensemble handelt es sich um den Pianisten Felix Hauptmann und Schlagzeuger Leif Berger aus Deutschland, die aus Argentinien stammende Camila Nebbia am Tenorsaxophon sowie den britischen Kontrabassisten Phil Donkin. Im März dieses Jahres spielten sie zum ersten Mal im Stadtgarten Köln zusammen. „Of Shapes/Current” lautet das Programm, das dem Prinzip der musikalischen Formveränderung folgen soll. An diesem Abend handelt es sich um freie Improvisationen, die sehr verhalten anmuten. Den vier Instrumenten werden auf einer über sehr weite Strecken bei gleichbleibender gemäßigter Dynamik einfache Tonfolgen und rhythmische Muster entlockt, die musikalische Spannungen nicht aufkommen lassen. Die klanglichen Möglichkeiten beschränken sich auf ein Minimum des Machbaren. Die meisten Töne kommen aus der Mittellage des Tonumfangs von Klavier, Kontrabass und Tenorsaxophon. Dazu beschränkt sich das in der Regel feingliedrig-perkussive Schlagzeugspiel auf gleichförmige Bewegungen. So applaudieren nach fast einer Stunde am Stück die übrig gebliebenen Gäste anständig recht freundlich, worauf das Quartett weiterspielt.
Dieses Doppelkonzert im Rahmen des Festivals „Jazz And World Meeting Wuppertal“ bietet also viel Licht und Schatten.
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