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„Gerade in einer Familie kennt man sich sehr gut“ – Deborah Inhanli mit ihrer Mutter Sigrid
Foto: Johannes Rothenhagen

Dicker als Wasser

02. November 2015

Sorgen und Chancen traditioneller Familienunternehmen in Wuppertal – talwaerts im engels-Exil 11/15

In Wuppertal gibt es eine ganze Reihe von ihnen – von Werkzeugfirmen wie Knipex oder Stahlwille über Architekturbüros wie Goedeking oder Rathke bis hin zu Vorwerk oder Schmersal. Zwei Dinge haben all diese Familienunternehmen gemeinsam: Sie sind erfolgreich und Wuppertal treu geblieben. Aber was macht ein Familienunternehmen aus? Was muss stimmen, damit die stets betonte und gelobte Tradition entstehen kann und der Übergang von Generation zu Generation gelingt?

Die Borns stellen sich diese Frage momentan zum fünften Mal. Genauer gesagt
stellen sich diese Frage Sigrid Born und ihre Tochter Deborah, die gar nicht Born heißt, sondern Inhanli. Dass Familie bei ihnen nicht in erster Linie etwas mit einem Geschäft und Tradition zu tun hat, merkt ein Gast schnell. Während Deborah ihren jüngeren Sohn begrüßt, spielt der Ältere mit seiner Cousine, die wiederum jetzt unbedingt mit rüber zu ihrer Oma gehen will. „Wir haben ein sehr enges Verhältnis, wohnen nebeneinander, fahren auch zusammen in Urlaub. Das gilt nicht nur für meine Mutter und mich, sondern auch für alle Geschwister“, sagt Deborah Inhanli. Sie ist vor vier Jahren in den „Born-Verlag“ eingestiegen.

Während ihre Vorfahren vor allem mit der Produktion von Telefonbüchern erfolgreich wurden, ist es an Deborah Inhanli, den neuen Weg, den ihre Mutter eingeschlagen hat, weiter zu beschreiten. „Es gab eine Zeit, in der ich meinen Kindern davon abgeraten habe, in den Verlag einzusteigen, denn natürlich verändert sich viel in der Branche“, sagt Sigrid Born. „Aber ich denke, dass wir gute neue Konzepte entwickelt haben, so dass ich meine Tochter jetzt guten Gewissens hier einsteigen lassen kann.“

Enge, persönliche Beziehungen, wechselseitige Erwartungen und Ansprüche – die Herausforderungen, mit denen Familienunternehmen konfrontiert sind, sind vielfältig, die Lösungsansätze ebenfalls. Bei Knipex beispielsweise hat mit Ralf Putsch ein Familienmitglied klar die Zügel in der Hand, Stahlwille hat mittlerweile ein familienunabhängiges Management.

Ebenso wie eine andere Werkzeugfirma auf dem Berg mit ähnlichem Erfolg und Ansehen – und in einer komplexen Situation: viele Familienmitglieder mit sehr unterschiedlich großen Anteilen sorgen für ein kompliziertes Gesellschafterverhältnis. Die Rede ist von „Picard“. 1857 von Johann Hermann Picard gegründet, blickt die Firma heute auf eine fast 160-jährige Geschichte zurück. Eine Geschichte, die zeigt, dass viel guter Wille nicht immer reicht. Karl Picard hätte das Unternehmen in fünfter Generation übernehmen können. Oder sein Cousin. Oder ein anderer Cousin. Zu viele kamen für die Nachfolge in Frage, denn je mehr Generationen der Familie dazu kommen, desto größer wird die Zahl der Erben, potenzieller Gesellschafter und Anwärter auf die Nachfolge an der Spitze des Unternehmens.

Die Familienmitglieder konnten sich nicht einigen. „Die Kommunikation ist schwierig, in vielen Dingen kommt nur sehr schwer ein gemeinsamer Wille zustande“, sagt Karl Picard. Er selbst würde sich mittlerweile gern einfach nur aus allem zurückziehen, doch das ist sowohl emotional als auch rechtlich nicht so einfach. Es ist der Stoff, aus dem Familiendramen gemacht sind und die können schon ohne, dass eine Firma mit drin hängt, heftig werden.

Für Sigrid Born war es daher immer wichtig, klare Verhältnisse zu schaffen.  „Deborah möchte den Verlag führen, dann bekommt sie ihn. Die anderen bekommen etwas anderes, aber es bringt gar nichts, sie daran auch noch zu beteiligen. Deborah trägt auf der anderen Seite ja auch das Risiko.“ Ein Risiko, dass über das rein unternehmerische hinaus geht. „Ich habe vorher in einer hohen Position bei der Bank gearbeitet und hatte viel Verantwortung. Trotzdem weißt du da: Wenn du nicht mehr willst oder kannst, kannst du gehen. Bei einem eigenen Unternehmen ist das anders. An dem Verlag hängen Gefühle und Erinnerungen und auch für die Mitarbeiter trage ich allein die Verantwortung. Das ist eine andere Art von Druck.“

Dominik Gerlich kennt diese Gefühle auch. Der Präsident des Lions Clubs Wuppertal Schwebebahn hat das Thema Familienunternehmen daher ganz oben auf die Agenda des Clubs gesetzt. „Da dieses Thema viele Clubmitglieder aktuell beschäftigt oder beschäftigt hat, haben wir die Idee entwickelt, dieses Thema im Rahmen einer Vortragsreihe aufzugreifen. Die Vortragsreihe hat die Überschrift ‚(Traditionsreiche) Wuppertaler Unternehmen | gestern – heute – morgen‘ und legt einen Focus auf die Unternehmensgeschichte und die Unternehmensweiterführung von Familienunternehmen.“

Kann auf dem beruflichen Lebenswerk seines Vaters aufbauen: Dominik Gerlich, Foto: Johannes Rothenhagen

Dominik Gerlich übernimmt gerade das Architekturbüro seines Vaters und sieht darin vor allem eine Chance. „Ich kann auf dem beruflichen Lebenswerk meines Vaters aufbauen und seinen Erfolg fortführen.“ Dennoch gibt es ab und zu Meinungsverschiedenheiten. Für ihre Lösungsstrategie haben Vater und Sohn sogar ein Motto. „Reibung erzeugt Wärme und Wärme kann man zielführend nutzen“, sagt Dominik Gerlich mit einem zwinkernden Auge.

Zentral ist für alle Kinder wie Elternteile das Vertrauen. „Das Lassen ist Grundvoraussetzung“, sagt Deborah Inhanli. „Gerade in einer Familie kennt man sich sehr gut. Die Schwächen des anderen muss man ausgleichen und manchmal auch ignorieren, kann das dann aber auch umgekehrt erwarten. Bei uns ist es auch so, dass sich das sehr gut ausgleicht. Ich kann jetzt viel in neue Strategien im Zuge des Internets investieren, während meine Mutter die Bestandskunden viel besser kennt.“

Das fehlende Vertrauen war für Karl Picard der Grund, die Firma seines Vaters, Großvaters, Urgroßvaters und Ururgroßvaters nach acht Jahren Vertriebsarbeit zu verlassen. Er gab nach andauerndem Stress und Streit mit den Verwandten seine Geschäftsführer-Ambitionen auf und betreibt nun einen Laden in der Wuppertaler Innenstadt. Das Grundproblem kann er aber immer besser nachvollziehen. „Ich weiß, dass es nicht gut ist, so viele Gesellschafter mit kleinen Anteilen zu haben. Aber ich habe zwei Töchter, was mache ich also mit meinen Anteilen? Ich verstehe die Zwickmühle meiner Vorfahren und werde wohl weiter zu der Entwicklung beitragen, dich ich selbst so kritisiere.“

Sophie Blasberg

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