Um die Jahrtausendwende herum war die Kriminalitätsrate in Mechelen hoch und zugleich galt die Stadt als dreckigste Belgiens. 1500 Autoeinbrüche gab es pro Jahr. Die kleine Stadt im belgischen Flandern, mit einer hohen Ausländerquote, war eine Hochburg der Rechten. Das sieht heute ganz anders aus. Verantwortlich für diese enorme Wandlung ist der amtierende Bürgermeister Bart Somers. Verwahrloste Viertel und enttäuschte Bürger gehören der Vergangenheit an.
Mechelen blickte einem Strukturwandel entgegen: Die Industrie hatte nordafrikanische Zuwanderer angeworben. Stadtpolitisch wurden diese in heruntergekommenen Stadtteilen untergebracht. Binnen einer Generation wandelte sich die mehrheitlich katholisch geprägte Stadt in eine plurale, ohne die Gesellschaft darauf vorzubereiten. Die hohen Zuwanderungszahlen führten zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung. Die Folge war die Wahl rechter Parteien, mitunter lagen die Werte bei 32 Prozent. Zu dieser Zeit beschloss Somers, Bürgermeister zu werden und etwas für seine Stadt zu tun. Er setzte darauf, die Polizei aufzurüsten, Videokameras zu installieren und Millionen in arme Stadtteile zu investieren. Einen Teil davon warb er aus Fördertöpfen ein.
Das Konzept ging auf: Dafür nutzte er Aspekte von links und rechts. Somers fuhr eine Null-Toleranz-Politik in Fragen der Kriminalität in Kombination mit echten Anreizen. Wenn ein Straftäter gefasst wurde, führte man ihn unmittelbar dem Richter vor. War der Täter von der Schule geflogen, gab man ihm die Möglichkeit, im Anschluss an seine Strafe auf eine andere Schule zu gehen.
Menschen aus der etablierten Mittelschicht erhielten Anreize, in prekärere Viertel zu ziehen. Wer sich dort sozial engagiert zum Beispiel mit Nachhilfe oder Behördengängen in Zuwandererfamilien, zahlt für seine Wohnung weniger Miete. Zeitliche Voraussetzung für das private Engagement sind vier Stunden pro Woche. Zudem bietet die Stadtverwaltung Trainings für diejenigen an, die sich das auf Anhieb nicht zutrauen.
Seit 17 Jahren ist Bart Somers nun Bürgermeister der Gemeinde mit rund 90.000 Einwohnern. 2016 kürte ihn der Weltverband der Bürgermeister sogar zum besten Bürgermeister der Welt. Der politisch Liberale ist geboren und aufgewachsen in der Stadt, in vierzehnter Generation ist seine Familie Mechelen eng verbunden. Fragt man die Menschen auf der Straße, fühlen sie sich nachts wieder sicher.
Somers behandelt die Menschen seiner Stadt mit Respekt und wünscht sich, dass sie sich zugehörig fühlen. Nach den Anschlägen von Paris durch den Islamischen Staat (IS) suchte der Bürgermeister umgehend die städtische Moschee auf, um ihnen sein Mitgefühl auszudrücken.
Aus Belgien kamen bislang die meisten IS-Kämpfer Europas. Aus Brüssel waren es 200, aus Antwerpen 100. Aus Mechelen bislang niemand. Somers setzt darauf: Wer sich mit der Gesellschaft identifiziert, wird sich seltener gegen sie stellen.
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