Die Dinge scheinen beständig zuzunehmen, der Mond, die kriminellen Steuerflüchtlinge und die Triebtäter. Dabei stimmt das gar nicht. Wie bei den getürkten Doktorarbeiten gibt es dies alles schon immer, nur die internationalen Informationsflüsse haben in Wahrheit zugenommen. Und nur der Mond wird irgendwann wieder abnehmen. Der Rest wird bleiben, damit müssen wir leben. Das ist auf der einen Seite gut, denn Aufklärung kann niemand genug bekommen, aber... war ja klar, das dieses Wort nicht zu vermeiden ist. Denn die, die sich beständig Sorgen machen müssen über diese Aufklärung, haben schon ein probates Mittel gefunden, die gezielte Überinformation. Soll heißen, wenn jeden Tag neue Boshaftigkeiten ans Licht kommen, werden die des Vortags schneller vergessen. Wenn man es dann noch schafft, Falsches zwischen das Richtige zu mengen, dann hat man den goldenen Zustand erreicht, in dem Aktien ohne Grund steigen oder fallen, in dem Schandtaten völlig vergessen werden, oder Menschen nur noch richtungslos vor sich hin dümpeln.
In der nordrhein-westfälischen Kulturpolitik ist das nicht anders. Dümpeln ist auch hier das richtige Wort. Doch leicht ist das nicht zu durchschauen. Man schmückt sich allerorten mit leuchtenden Metaphern. „Das Unmögliche möglich machen“ – schon das Motto der NRW-Kunststiftung ist beispielsweise ein dümmliches Paradoxon. Das Unmögliche kann man nämlich nicht möglich machen, sonst wäre es nicht unmöglich und weil das so ist, verpulvern sie dort seit kurz vor der Wiedervereinigung ihre Mittel in der Hauptsache für das, was sowieso nicht nur möglich ist, sondern auch Vermögen hat, und schon gar nicht nur das, was noch nicht ist, lieber das was schon längst da war, und peinlicherweise auch immer schon möglich. Doch nur was nicht ist, ist möglich, sagte einst der geniale Blixa Bargeld. Ja, ja. Nur zwei Dinge sind eben unendlich: Die Dummheit und das All. Und da die Kultur in NRW auch im Essener Kulturhauptstadtjahr das All nur mit einer Fälschung erreicht hat, bleibt eben bloß noch – die unendliche Dummheit, die nicht merkt, wie verschleiert wird, wie Richtungslosigkeit penetrant Mittelmaß erzeugt – ohne penetrant zu riechen, versteht sich.
Und das alles finanziert mit den letzten Hoffnungen der einfachen Menschen, dem unaufhaltbar in den Tunnel stürzenden Dürrenmattschen Zug zu entkommen. Der vagen Möglichkeit auf einer Luftlinie-Strecke ungefähr zwischen Köln und Frankfurt genau den Millimeter zu bestimmen, der dann ins Glück führt. Auch hier wird nicht das Unmögliche möglich gemacht, denn unmöglich ist das nicht, wie sich Woche für Woche bei den Ziehungen der Lottozahlen zeigt. Und die Kultur partizipiert fröhlich mit, denn die Kunststiftung NRW erhält ihr von der Politik diktiertes Streugut aus den Erträgen von Westlotto. Im letzten Jahr waren das 8,7 Millionen Euro. Also los ihr: „von Natur mit einer ansehnlichen Gestalt und ausnehmender Leibesstärcke begabet, durch tapfere Thaten Ruhm erlanget, und sich über den gemeinen Stand derer Menschen erhoben“.
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