Deutsche Stadtplanung ist paradox. Wir mögen es, wenn alles seine Ordnung hat, einem System folgt und die Häuser optisch aufeinander abgestimmt in Reih und Glied hinter ihren Vorgärten stehen. Irgendetwas sträubt sich in uns, wenn wir die chaotischen Städte unserer Urlaubsländer sehen, es schaudert uns aber auch, wenn wir die Schachbrettmuster amerikanischer Städte sehen; oder vielmehr der Vorstädte. In Manhattan scheint das alles schön funktional. Dabei vergessen wir, dass die meisten unserer Städte selbst Ergebnisse einer teils von Ingenieurslogik, teils von Visionen getriebenen Planung der Industrialisierung und ihrer Erben sind.
Heutzutage stehen visionäre Infrastrukturprojekte stets unter dem Verdacht der Großmannssucht, der Steuerverschwendung und Korruption. Vielleicht zu Recht. Die Akribie bei der Stadtplanung ist geblieben, die Vision aber der bürgerlichen Kleinkariertheit gewichen. So wenig, wie sich Städte mit einem geistigen Horizont, der über eine Legislaturperiode nicht hinausreicht, fit für eine Zukunft der Technologiesprünge und Klimaherausforderungen machen lassen, lässt sich das mit dem Mut eines Reihenhausbesitzers, der E-Scooter mit Schutzhelm fährt, bewerkstelligen.
Schritte im Treppenhaus
Wenn wir von der Stadt der Zukunft sprechen, die für den Klimawandel gerüstet ist, dann kommen Urban-Gardening-Initiativen zur Sprache, Tiny Houses, eBike-freundliche Straßen und andere Anglizismen, die alle eins gemeinsam haben: Winzigkeit. Begrenztheit in Raum und Zeit. „Veränderung fängt im Kleinen an“ ist der Slogan von Regierungen, die Verantwortung an den Bürger abgeben, statt sich selbst den Problemen zu stellen, die sie selbst verursacht haben. Hinterhöfe sollen zu Gemeinschaftsgärten werden – das klappt sicher super in einer Gesellschaft von Neurotikern, die lieber eine Minute warten, wenn sie Schritte im Treppenhaus hören, als jemandem im Flur zu begegnen. In einer Gesellschaft, die nur im Straßenverkehr ihre Emotionen äußert (und auch das nur, weil der eigene rollende Faraday'sche Käfig so schalldicht ist). Sicherlich können Architektur und Stadtplanung das Miteinander fördern. Und in der Stadt der Zukunft kommt es auf jeden Baum an, auf jeden Strauch, auf jeden Bärlauchstrauch. Doch warum sollen Bürger sich um die Bäume am Straßenrand kümmern, während die Stadt es als ihre Aufgabe zu sehen scheint, immer mehr Flächen zu versiegeln?
Grün oder grau
Singapur ist eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt – und vielleicht eine der grünsten. Und wenn sie es jetzt nicht ist, so arbeitet sie hart daran. Das liegt nicht daran, dass die Menschen dort solche Blumenfreunde sind. Nur 100 Kilometer vom Äquator entfernt, weiß die Regierung des Stadtstaats, wie wichtig Pflanzen bei heißen Temperaturen sind. Sie spenden Schatten, haben eine Kühlleistung die mit der einer Zimmerklimaanlage vergleichbar ist, und bepflanztes Erdreich lässt Regenwasser versickern, statt alles auf die versiegelten Straßen zu spülen. Auch das ist wichtig, schließlich wird es (vor allem bei uns, nicht nur in Singapur!) zwar immer wärmer, aber auch immer starkregnerischer. Also her mit dem Grünzeug! Und wenn eben kein Platz für Bäume vorhanden ist, müssen die Gärten vertikal wachsen; in Singapur auf hundert Meter hohen Konstruktionen, in den berühmten wie eindrucksvollen Sky Forest oder dem SuperTree Grove und an hunderten von Gebäudefassaden der modernen Metropole. Viel Grün, Mut und Verantwortung stehen für Zukunft. Bei uns herrschen noch Grau und German Angst.
ALTMODISCH BAUEN - Aktiv im Thema
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