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Die Propaganda-Edeltanne

13. März 2013

Weihnacht in Zeiten der Kulturmafia - Magenbitter 12/09Die Propaganda-Edeltanne

Knecht Ruprecht steht schon bald vor der Tür, und wenn er dann schellt, dann ist Holland in Not. Nicht weil treue Hunde das Klima versaut haben und die Deiche brechen, nein dieser bärtige Futzi mit Kapuze und Rute schaut nach, was denn im Schwarzen Buch so alles über einen steht, und da steht fürs vergangene Jahr: immer und immer wieder gegen die schnöde Vermarktung und überflüssige Medialisierung sogenannter Kulturevents gewettert. Die wunderbare Werbe-Marke „Ruhr.2010“ beschmutzt und nie öffentlich den richtigen Sticker am Revers gehabt. Da wird mir wohl der Hosenboden langgezogen, was immer das damals auch geheißen haben mag.

Aber ich bin vorbereitet. Bei Kerzenschein habe ich das zweite Buch Pleitgen durchgearbeitet. Ordnungsgemäß bei Glühwein den Tannenbaum geschmückt. Und wie. Es ist eine Hommage an die aktuelle Ausstellung im Kölner NS-Dokumentationszentrum. „Weihnachten in der politischen Propaganda“ heißt die, und dort kann man lernen, wie man mit einfachen Dingen viel Aufmerksamkeit erregt. Natürlich nicht mit Handgranaten-Baumschmuck oder Hakenkreuz-Backförmchen wie zur dunklen Kriegszeit. Nein heute arbeitet man differenzierter am Kunstobjekt Edeltanne. Wo früher silberne Kerzenhalter die Stearinstengel umklammerten, da installiert man heute gelbe Bälle, nach Möglichkeit mit Helium gefüllt. Die zeigen dann an, wo einst richtige Kerzen waren. Genauso macht man es mit den blöden Kugeln, die sowieso immer kaputt gehen. Hier pappt man, auch zur besseren Haltbarkeit, Ruhr.2010-Werbeaufkleber drauf. Anstecknadeln mit dem (natürlich nur das für Jedermann) Logo vervollkommnen die Optik an den nadelnden Zweigen, eine Krippe im Zollverein-Look ließe Bergmänner-Augen zwar strahlen, doch das hieße basteln. Ein rotbrauner Anstrich und Zechenpferde gehen auch, Hauptsache, die Grubenlampe hängt über dem Jesuskind. Ein paar Schritte zurück, noch ein oder drei Glühwein, und das Kulturhauptstadt-Propaganda-Edeltannen-Ensemble ist wenigstens erträglich.

So könnte das im kommenden Jahr auch funktionieren. Buch zwei hat zwar die Aura eines Quellekatalogs, will heißen viele Produkte ohne roten Faden. Aber will diese Farbe an Ruhr und Emscher überhaupt noch jemand? Möglicherweise reicht das Angebot ja aus, Otto Normalverbraucher über die tatsächliche Ver(sch)wendung seiner Steuergelder zu täuschen. Leise rieselt der Schnee aus dem Radio und Rost in den alten Stahlwerken. Advent anne Ruhr. Versöhnlichkeit ist angesagt, vielleicht wird ja doch nicht alles so beliebig. Ach und mein Baum ... Da schellt die Schelle, und es pocht an der Eingangstür. Starr umklammere ich die noch heiße Tasse. Soll ich oder soll ich nicht? Der Spion in der Tür lässt keine andere Deutung zu: Draußen fingert jemand bereits an einem schwarzen Buch. Es pocht noch mal, es pocht mein Herz. Nix vergessen? Die Grubenlampe in der Krippe flackert vor sich hin, der Knecht kann kommen. Nie wieder Glühwein. Ein Ruck an der Tür. „Nehmen Sie ein Paket für Ihre Nachbarn an?“

Peter Ortmann

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