Neben den Blechbläsern haben die Boten der Barockmusik in den heiligen Tagen des Dezembers bekanntlich ihre heiße Zeit. Irgendwie atmet die an Hof und Kirche gebundene vorbürgerliche Musik die angemessene Heiligkeit. Der meist leisere Ton vibratolos gestrichener Darmsaiten steht für Demut in historischem Sound, auch wenn die Architektur moderner Konzertsäle mit 2000 gepolsterten Sitzen nicht sehr geeignet erscheint – immerhin müssen hier urbane Nebengeräusche möglichst draußen bleiben.
Ein ganz zartes Orchester-Pflänzchen mit dem Etikett „Ensemble Diderot“ existiert in Paris und schart sich um den Südtiroler Geiger Johannes Pramsohler, der selbst wie der Namenspatron Denis Diderot, ein barocker Universalgelehrter und Enzyklopädist, Musik und Historie auf Augenhöhe behandelt. Manche betrachten den Quartettkern des Ensembles als Nachfolger der legendären Musica Antiqua Köln mit ihrem bärbeißigen Gründer Reinhard Goebel, dessen akribische Quellenforschung immer noch eine schier unerschöpfliche Quelle origineller und originaler Entdeckungen beisteuert – Pramsohler hat in diesem Ensemble als Musiker gastiert und streicht heute eine Geige Goebels, eine Rogeri aus 1713.
Mit einem zehnköpfigen Orchester reist der Wahlpariser jetzt in Köln an, um über die berühmte Dresdner Hofkapelle und ihre Musiker zur Zeit des in Berlin residierenden Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt zu berichten. So darf am Weihnachtstag mit dem „Brandenburgischen Konzert Nr. 5“ auch ein Hit des berühmtesten der mehr als einhundert Bäche erklingen, denn, so die Theorie des Orchesterchefs, „ohne die fabelhafte Dresdner Hofkapelle hätte Johann Sebastian Bach vielleicht nie die Idee für seine Brandenburgischen gehabt“ (Magazin der Kölner Philharmonie).
Wie eng die Musiker damals miteinander agierten und wie abhängig die Produktion von Solo-Konzerten von der jeweiligen Orchesterbesetzung abhing, das schildert dieses Programm ganz nebenbei. So erklingt ein komponiertes Portrait des Flötisten Pierre-Gabriel Buffardin, der mehr als 30 Jahre als berühmter Virtuose in der Dresdner Hofkapelle diente. Noch nachhaltiger wirkte der Geiger Johann Georg Pisendel, dem Dresden seine Vivaldi-Pflege verdankt wie die gesamte Katalogisierung des Repertoires zur kulturellen Blütezeit unter August dem Starken. Pisendels Erbe überdauerte im berühmten „Schranck No: II“ in der Hofkirche. Sehr geheimnisvoll.
Ensemble Diderot | So 25.12. 18 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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