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Zeitdruck schon für die Kleinsten
Foto: Ursula Deja / Fotolia

Geburtshelfer namens Kostendruck

20. Dezember 2018

Ärzte entscheiden sich immer häufiger für den Kaiserschnitt

Operativ entbunden wird schon lange nicht mehr nur im Notfall. Jedes dritte Kind in Deutschland wird mittlerweile per Kaiserschnitt auf die Welt geholt, wie Daten des Statistischen Bundesamtes belegen. Obwohl sich die meisten Ärzte einig sind, dass kein Kind ohne medizinische Notwendigkeit per Kaiserschnitt auf die Welt kommen sollte, ist belegt, dass nicht alle Schnittgeburten auch Problemgeburten sind. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass der gestiegene Kostendruck auf Krankenhäusern für die Entwicklung bei Schnittgeburten verantwortlich ist.

Laut der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sind Schnittentbindungen vor allem dann unumgänglich, wenn das Kind quer im Bauch liegt, wenn sich die Plazenta vorzeitig löst oder die Nabelschnur droht, eingeklemmt zu werden, so dass das Kind nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Es handelt sich hierbei um Komplikationen, die zu schwersten Behinderungen oder zum Tod des Kindes führen können.

Allerdings – und hier wird es bedenklich – sind für weniger als zehn Prozent solch zwingende Gründe verantwortlich für Kaiserschnitte in Deutschland. Die meisten anderen Geburten mit Schnitt erfolgen aus Gründen, die auch unter Medizinern umstritten sind. Dazu gehört beispielsweise die Beckenendlage, also jene Stellung des Kindes, bei der nicht der Kopf, sondern das Gesäß des Kindes nach unten zeigt. Allerdings sind sich Experten einig, dass eine Beckenendlage nicht automatisch zum Kaiserschnitt führen muss. Erfahrene Geburtshelfer könnten vielmehr am Ende der Schwangerschaft die sogenannte Äußere Wendung versuchen. Dabei wird das Kind durch gezielte Handgriffe am Bauch der Mutter in die richtige Geburtsposition gedreht. Die Erfolgsquote wird mit etwa 65 Prozent angegeben. Und selbst wenn die Wendung nicht gelingt, ist eine natürliche Entbindung immer noch nicht ausgeschlossen. Doch das kostet Zeit und Ressourcen.

Wird der Blick aber auf das Außermedizinische gerichtet, finden sich eher Gründe für den signifikanten Anstieg von Kaiserschnitten. Laut statista.com stieg die die Zahl von rund 183.000 im Jahr 2004 auf etwa 232.500 im Jahr 2017. Um es vorweg zu nehmen: Für die populäre Annahme, Frauen würden immer häufiger einen Kaiserschnitt wünschen, weil er weniger Schmerzen und eine schnellere Geburt verspricht, gibt es keine genauen Zahlen. Allerdings lassen viele Gynäkologen psychologische Gründe, wie Angst vor der Geburt und der damit verbundenen Schmerzen, als Argument für einen Kaiserschnitt gelten. Wie schwerwiegend diese Gründe sind, wird selten überprüft. Prinzipiell wird aber kaum ein Arzt einen Entbindungstermin vorziehen, damit das Kind ein bestimmtes Sternzeichen oder der Terminplan der Mutter mehr Klarheit erhält.

Vielmehr müssen die immer weniger werdenden Kreißsäle optimaler ausgelastet werden. Und falsche Anreize werden ebenfalls gesetzt. Im Gegensatz zu normalen Geburten, die im Schnitt mit 1900 Euro vergütet werden, sind Operationen wesentlich lukrativer für die Krankenhäuser. Für einen Kaiserschnitt etwa gibt es durchschnittlich 2900 Euro. Und da passt es auch ins Bild, dass die Kontrollen für den Wirtschaftszweig Gesundheit, der jährlich mehr als 300 Milliarden Euro umsetzt, von Experten mit mangelhaft bewertet wird.


Der Untergang der Hebammenkultur – Lesen Sie weitere Artikel
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Bernhard Krebs

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