Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

12.553 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Foto: Bettina Stöß

Überwältigender Raumklang

10. Oktober 2022

„Intolleranza 2022“ an der Oper Wuppertal – Oper in NRW 10/22

Unbedingt anschauen! Diese Empfehlung lässt sich für Luigi Nonos „Intolleranza“ mit dem aktualisierenden Zusatz „2022“ am Opernhaus in Wuppertal bedenkenlos aussprechen. Nach der Premiere am 4. Juni 2021, pandemiebedingt nur mit einem kleinen Häuflein Journalisten als Publikum, war Nonos Musiktheater nur als Stream zu sehen. Jetzt besteht die Chance, das einzigartige Live-Erlebnis nachzuholen.

Nonos Ikone der neuen Musik aus dem Jahr 1961 wird in Wuppertal in einem sonst kaum möglichen Raumklang-Konzept umgesetzt, das den Vorstellungen des Komponisten sehr nahe kommt. Das Publikum sitzt im Parkett, hat vor sich auf der Hinterbühne, zehn Meter hoch gestaffelt, 12 Schlagzeuger und 12 Blechbläser, im Graben Streicher, Celesta und Harfen, auf den Rängen 12 Holzbläser und die 24 Sängerinnen und Sänger des Wuppertaler Opernchores, verstärkt durch Einspielungen des Chorwerks Ruhr. Der musikalische Leiter Johannes Harneit dirigiert im Graben und wird durch einen zweiten Dirigenten, Stefan Schreiber, hinter der Bühne unterstützt.

Das Ergebnis ist eine musikalische Wucht: breit gesplitteter Klang, extreme Transparenz, Reibungen statt Vermischung. Die minutiöse Klangkalkulation im Raum führt zu verdichteten und verschmelzenden Klängen, zu sphärischen Interferenzen und schwebenden Tongespinsten. Regisseur Dietrich Hilsdorf kommt es darauf an, die Geschichte klar und unmissverständlich zu erzählen: Nonos Protagonist ist ein Gastarbeiter in einer schmutzigen Mine eines fremden Landes, ein Prototyp eines Menschen, der seiner selbst als Subjekt der Geschichte bewusst wird und den Kampf mit den ökonomischen Verhältnissen aufnimmt. Nonos Begriff von der Geschichte, in der sich ein Befreiungsprozess vollzieht, lässt sich auf philosophische Vorstellungen des in Barmen geborenen Friedrich Engels‘ zurückführen, dessen 200. Geburtstag 2020 eigentlich mit der Neuinszenierung von „Intolleranza“ gefeiert werden sollte. Das Thema bleibt aktuell angesichts der Krisen in der Welt des 21. Jahrhunderts – und Hilsdorf Verweise auf das Schicksal moderner Arbeitssklaven aktualisiert das Provokante von Nonos Erstlingsoper.

Intolleranza 2022 | 22.10., 5.11., 22.12. | Opernhaus Wuppertal | 0202 56 37 666

Werner Häußner

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Kung Fu Panda 4

Lesen Sie dazu auch:

Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24

Urlaub in der Psyche
„Alcina“ an der Oper Wuppertal

Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24

Täuschung und Wirklichkeit
Ein märchenhafter Opern-Doppelabend in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/24

„Wir hoffen, dass die Geschichte neu wahrgenommen wird“
Regisseurin Julia Burbach inszeniert „Alcina“ an der Oper Wuppertal – Premiere 02/24

Unterschätzte Komponistin?
„Der schwarze Berg“ an der Oper Dortmund – Oper in NRW 01/24

Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24

Der unfassbare Gott
Oper Bonn zeigt Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ – Oper in NRW 12/23

Knechtschaft und Ungerechtigkeit
„Cinderella“ im Opernhaus Wuppertal – Oper 12/23

Unheimlich ungelebte Geschichte
„Septembersonate“ an der Rheinoper Düsseldorf – Oper in NRW 11/23

„Giftmord als Kammerspiel ist immer willkommen“
Regisseur Roland Riebeling über „Arsen und Spitzenhäubchen“ am Schauspiel Wuppertal – Premiere 11/23

Ein Schluck auf die Liebe
„Der Liebestrank“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/23

Oper.

Hier erscheint die Aufforderung!