Jenny Holzers Kunst kann man nicht vergessen. Sie arbeitet mit den Strategien des öffentlich Alltäglichen, des Konsums und der Reizüberflutung. Sie greift die schnell gesagten Floskeln auf, lässt sie nachhallen und konfrontiert direkt damit. Im K21 der Kunstsammlung NRW, dem Ständehaus in Düsseldorf, ist nun ein Überblick über dieses ebenso homogene wie komplexe Werk zu sehen, der verdeutlicht, warum diese Künstlerin so berühmt, aber auch so wichtig in unseren Zeiten ist.
Bekannt wurde die New Yorkerin (*1950) in den 1980er Jahren mit ihren Leuchtschriften und Leuchtbändern im öffentlichen Raum. Sie waren keine Reklame am Times Square, sie sprachen vielmehr die Emotionen der Betrachter an, warfen diese auf sich zurück und das mitten im Trubel der Großstadt. Material sind hierbei Texte, die Holzer aus öffentlichen und intellektuellen Diskursen destilliert: die „Truism“, die knappe Sentenzen aus teils philosophischen Schriften als Tatsachen behaupten, und die „Inflammatory Essays“, die mit je 100 Wörtern in 20 Zeilen auf farbigen Papierbögen gesellschaftliche Themen aus politischen und kulturellen Manifesten fokussieren: Sie tauchen auf Plakaten, LED-Bändern oder eingemeißelt auf Marmor- und Granitbänken auf. Im Untergeschoss des Ständehauses sind diese Werkaspekte großzügig als sozusagen historischer Überblick installiert.
Zeitaktuell ist die Ausstellung dann in den Sälen der Belle Etage: Sie zeigen Jenny Holzers Hinwendung zur Malerei seit 2005 teils als Siebdruck auf mitunter mit Blattmetallen verzierten weißen Tafeln. Ihre Malerei reproduziert Geheimdokumente des US-Militärs, die mit Schwärzungen den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben und sich auf Militäroperationen im Irak, Verbrechen an der Zivilbevölkerung und Folterungen beziehen. Eine neue LED-Arbeit vereint Statements zum Krieg in der Ukraine. Und ein Werk aus geschichteten menschlichen Knochen, die von Silberringen mit eingravierten Texten umfasst sind, bezieht sich auf die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Waffe im Jugoslawienkrieg. Jenny Holzer klagt an: niemals laut, aber mit vielen Stimmen und beharrlich.
Jenny Holzer | bis 6.8. | K21 Kunstsammlung NRW in Düsseldorf | 0211 838 12 04
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