Freitag, 6. September: Kurzfilme sind für zahlreiche FilmemacherInnen das Sprungbrett zu Größerem. In der Kurzform können sie sich ausprobieren und erste Erfahrungen mit einem Filmdreh sammeln, weswegen insbesondere an den Filmhochschulen noch immer zahlreiche Kurzfilme gedreht werden. Diese dann aber einem Publikum zu präsentieren, ist zunehmend schwer geworden. Als Vorfilme kommen Kurzfilme kaum noch zum Einsatz, umso löblicher ist es da, wenn Veranstalter Kurzfilmblöcke zusammenstellen, die sich die Zuschauer dann im Kino ansehen können. Seit 1956 wird der Deutsche Kurzfilmpreis vergeben, und seit 1998 gehen die Nominierten und die Preisträgerfilme jährlich auf Tournee durch die deutschen Kinos. Dass sie dabei auch Station in der Oberhausener Lichtburg machen, liegt nahe, da das Kino schließlich auch Jahr für Jahr Austragungsort der renommierten Oberhausener Kurzfilmtage ist.
Koordinator der Kurz.Film.Tour. ist die AG Kurzfilm. Projektleiterin Franziska Kache über die Veranstaltung: „Der Deutsche Kurzfilmpreis ist die wichtigste und höchstdotierte Auszeichnung für Kurzfilme in Deutschland. Die AG Kurzfilm bringt mit der Kurz.Film.Tour. die preisgekrönten Kurzfilme ins Kino und erreicht damit, dass sie einem noch größeren Publikum zugänglich sind." Noch bis zum 11. September sind die dreizehn nominierten und ausgezeichneten Filme des aktuellen Jahrgangs in unterschiedlichen Programmzusammenstellungen in Oberhausen zu sehen – und das sogar bei kostenlosem Eintritt!
Schon der Eröffnungsblock am frühen Freitagabend hatte fünf sehr unterschiedliche Filme im Angebot – allesamt deutsche (Ko-) Produktionen, und doch in solch unterschiedlichen Sprachen wie Deutsch, Japanisch, Ungarisch und Schwedisch realisiert. „Katzentage“ (Neko No Hi) ist ein visuell schlicht gestalteter Animationsfilm des in Hamburg lebenden Amerikaners Jon Frickey. Er handelt vom kleinen Jiro, bei dem die Ärztin Katzengrippe diagnostiziert. Da diese nur Katzen befällt, muss Jiro eine Katze sein. Der auch durch assoziative Traumelemente bestechende Elfminüter zeigt dem Publikum auf mitreißende Weise, dass es egal ist, wer oder wie man ist. „Das satanische Dickicht 3“ von Willy Hans lief auch im Programm von Locarno und erzählt in betörend eingefangenen Schwarzweiß-Aufnahmen vom Campingurlaub einer vierköpfigen Familie. Die wortkarg-lakonische Handlung erzählt dabei von einem davonschwimmenden Plastikkrokodil, von einem entlaufenen Kaninchen, vergessenen belegten Broten und ersten sehnsuchtsvollen Blicken zwischen den Geschlechtern. In einer gewohnt verschrobenen Rolle ist Lars Rudolph („Lola rennt“) zu sehen, der als Platzwart aufgrund des Verschwindens seines Kaninchens Fernando zu verzweifeln droht.
Ebenso wortkarg und bildstark geht es in „Alles in Ordnung“ (Minden Rendben) zu. Borbála Nagy schildert darin in 13 Minuten Laufzeit den Arbeitsalltag zweier Wachmänner an der ungarisch-serbischen Grenze. Der Jüngere ist neu dabei und muss sich an den Ablauf vor Ort, in eisiger Kälte, erst noch gewöhnen. Doch wie sich herausstellt, weiß er schon bald, auf was es dabei ankommt. Nagys Momentaufnahmen lassen viel Raum für eigene Interpretationen. Der längste Film dieses Blocks war der 30minütige „Rå“ von Sophia Bösch, der seine Uraufführung 2018 in der „Perspektive Deutsches Kino“ auf der Berlinale feierte. Der Film erzählt von der sechzehnjährigen Linn, die mit ihrem Vater und einer Gruppe weiterer erfahrener Männer zum ersten Mal an einer Elchjagd teilnehmen darf. In den nebelverhangenen Wäldern Schwedens kommt es jedoch bald zu einem folgenschweren Zwischenfall, bei dem sich Linn wirklich beweisen muss. „Rå“ ist der Gewinner des Deutschen Kurzfilmpreises in Gold für Spielfilme von mehr als 10 bis 30 Minuten Länge. Gleichermaßen gelungen ist der Zehnminüter „Follower“ von Jonathan B. Behr. Der Regisseur lässt seinen kompletten Film auf dem Smartphone einer jungen Frau ablaufen, die zum Babysitten in einem abgelegenen Haus ist. Während sie mit ihrem Freund per WhatsApp Messages, Sprachnachrichten und Fotos austauscht, muss sie erkennen, dass ein Unbekannter mitliest, der sich zudem in der Nähe des Hauses befindet. Behr hat mit diesem raffinierten Psychohorror Filme wie „Halloween“ oder „Das Grauen kommt um zehn“ effektvoll in die Smartphone-Ära übertragen.
Als inhaltliche Parallele zwischen den fünf Filmen dieses Blocks kann man ausmachen, dass jeweils ein Kind oder junger Erwachsener im Mittelpunkt steht, Herangehensweise, Genre und Inszenierungsstil sind jedoch höchst unterschiedlich. Auch für Franziska Kache von der AG Kurzfilm ist das eine klare Stärke der Kurz.Film.Tour. Sie erläutert: „Die Themen der Kurzfilmpreisträger sind so vielfältig wie ihre Genres. Sie erzählen von den Herausforderungen der Digitalisierung, dem Erwachsenwerden, unkonventionellen Liebesbeziehungen und von einer Goldenen Hochzeit, deren Besuch plötzlich politisch wird. Sie nehmen den Zuschauer mit auf eine Weltreise – von der schwedischen Wildnis, über die Arbeiterviertel Philadelphias, eine polnische Großstadt, die Grenze zwischen Ungarn und Serbien, in ein animiertes Japan zurück nach Berlin."
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