Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.562 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Max Zähle und Lucas Gregorowicz nehmen Kino-Betreiber Mustafa El Mesaoudi in die Mangel
Foto: David Fleschen

Biotop der Originale

09. Mai 2016

Max Zähle und Lucas Gregorowicz am 6.5. bei „Schrotten!“-Präsentation im Rex-Kino – Foyer 05/16

Didi Hallervorden in den Dolomiten („Honig im Kopf“), Elyas M'Barek in Thailand („Fack ju Göhte 2“) oder Matthias Schweighöfer in Südafrika („Der geilste Tag“): Wenn in den letzten Monaten von Deutschen Komödien die Rede war, sah es oft so aus, als müsste dazu fast zwangsläufig irgendein prominenter Name durch Tourismusverband-geförderte Postkartenlandschaften reisen.

Dabei liegt das Schräge doch oft so nah.

In diesem Sinne verfolgte Regisseur Max Zähle, vor vier Jahren gefeierter Oscar-Nominee für seinen deutsch-indischen Kurzfilm Raju, womöglich die Mission, ein Gegengewicht zu weiten Reisen und austauschbaren Geschichten zu schaffen: Für sein Langfilm-Debüt „Schrotten!“ wählte Zähle nicht nur seine Heimatstadt Celle als Kulisse, sondern setzte auch auf Autobiographisches: Zähles bester Schulkumpel war der Sohn eines Schrotthändlers.

Schrotten!“, das Max Zähle jetzt gemeinsam mit Hauptdarsteller Lukasz Gregorowicz im Wuppertaler Rex präsentierte, ist so eine Hommage an den rauen Charme der Schrottplätze geworden. Da muss man gar nicht unbedingt die TV-Schrottkönige Ludolfs kennen, um zu erahnen: Hier geht es in ein Biotop der Originale.  Dass hier gerade der große Coup geplant wird, ist da fast schon naheliegend.

„Schrotten!“ das neue „Bang Boom Bang“? Als der Film im Rex beginnt, erinnert einiges an die legendäre Ruhrpottklamotte. Skurrile Typen zum Beispiel. Die bietet der Film en masse. Alles ist jedoch etwas ruhiger als bei dem westfälischen Gaunerkomödienklassiker. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil. Denn so haben die Figuren Zeit sich zu entwickeln. Man sieht einen großartigen Frederick Lau („Victoria“) als Schrottplatz-Erbe Letscho Talhammer, der einfach wie kein zweiter diese Zwei-Wörter-Oberasi-Trotzdem-Supercool-Sätze servieren kann: „Kämpfen, Scheiße.“ Und seinen Bruder Mirco, eher unfreiwilliger Versicherungs-Schnösel, und nur scheinbar das genaue Gegenteil, dem Lucas Gregorowicz („Lammbock“) ein nicht minder prägnantes Gesicht samt rhetorischer Retourkutsche verleiht: „Ihr bornierten Kackaffen“.

„Lieber Tod als Sklave“ das Motto, das sich die Schrottplatz-Originale auf die Fahnen geschrieben haben, bekommt in einer Welt, in der jeder jeden bescheißt („die Stadt, der Unternehmer Kercher das ist doch alles dasselbe“) dann schnell eine Bedeutung. Und so schweißt der Schrottplatz auch aus den härtesten Ego-Kämpfern irgendwann eine verschworene Gemeinschaft zusammen.

Die Kinozuschauer sehen dazu: Eine Schrottplatz-Idylle samt bunten Containern und dreiradfahrenden Kindern. „So etwas haben wir im Original gar nicht gefunden“, erzählt Regisseur Max Zähle beim anschließenden Filmgespräch. Und so holte sich Zähle kompetente Unterstützung an Bord: Gemeinsam mit der Celler Schrottplatz-Legende Kalli Struck baute das Filmteam einen Traumschrottplatz. Halb Kindheitserinnerung, halb Utopie. Zum Dank bekam der echte Schrottplatz-König dadurch sogar die Nebenrolle des Schrottplatz-Vaters im Film zugesprochen.

Noch ein paar weitere Details zum Dreh erfahren die Zuschauer an diesem Abend. Zum Beispiel, dass der Eisenbahnraub im Film tatsächlich so funktionieren könnte, wie die Eisenbahnexperten am Set bestätigten. Auch wenn die Requisiteure im Film dann doch statt der Eisenbahnschwellen lieber Pappmaché verwendeten. Oder, dass bei der ausverkauften Kinopremiere in Celle zur Feier des Tages live ein Auto verschrottet wurde.

Vor allem aber erzählen Gregorowicz und Zähle an diesem Abend davon, wieviel Herzblut in den Film geflossen ist.  „Ich empfehle selten Filme, aber hier tue ich das sehr gerne“, sagt Gregorowicz, der dann gleich noch bestätigt, dass bald tatsächlich die Fortsetzung der legendären (und inzwischen schon 16 Jahre alten!) Kiffer-Komödie Lammbock samt aller Beteiligten ansteht (Gregorowicz: „Bei „Schrotten!“ dauert es hoffentlich nicht so lange bis zu Teil 2“).  Am Ende gibt es dann noch ein großes Lob von Max Zähle: „Wir fahren ja gerade durch viele Filmtheater. Aber ihr habt hier in Wuppertal wirklich das schönste Kino.“

David Fleschen

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

Alle Farben der Welt
37. Teddy-Award-Verleihung bei der 73. Berlinale – Foyer 02/23

Endlich wieder gemeinsam feiern
Sommer-Branchentreff 2022 in der Wolkenburg – Foyer 06/22

Die inneren Mauern fallen lassen
Schwules Filmdrama über Ängste und Identitätsfindung in der Queer Film Nacht

Kurz und knackig
Kurz.Film.Tour. in der Lichtburg Oberhausen – Foyer 09/19

Spuren der Freiheit
Fotografien afrikanischer Kinos in der Ausstellung „Angola Cinemas“ – Kunst 03/18

Treffen der Kinofamilie
Sönke Wortmann, Frank Goosen Lucas Gregorowicz und Anna Bederke präsentierten „Sommerfest“ im Rex – Foyer 06/17

Dem Kleinbürgeridyll ein Schnippchen geschlagen
Lars Montag präsentierte am 6.5. „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ im Rex – Foyer 05/17

Heimat mit Hindernissen
Lisei Caspers präsentierte den Dokumentarfilm „Gestrandet“ im Rex – Foyer 03/17

Ein Stück Zeitlosigkeit
Wim Wenders präsentierte „Die schönen Tage von Aranjuez“ im Wuppertaler Rex – Foyer 01/17

Kein Fall ist gleich
Premiere der Doku „Stille Not“ vom Medienprojekt Wuppertal am 9.11. im Rex – Foyer 11/16

Starke Frauen aus Afrika
Erste Afrika Filmtage mit beeindruckendem Premierenprogramm – Foyer 10/16

Puzzlestücke einer besseren Welt
Diskussion zum Kinostart von „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ am 2.6. im Rex – Foyer 06/16

Foyer.

Hier erscheint die Aufforderung!