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25. Januar 2022

Der Rezo-Effekt als wichtige Erkenntnis für progressive politische Arbeit in Sozialen Medien – Teil 2: Leitartikel

Im engeren Sinne sind Influencer Menschen, die ihr Leben zur Werbefläche machen. Ob das Bad in der Schokoladen-Badewanne, das porennah gefilmte Workout oder Schminkberatung inklusive Produktempfehlungen — nach dergleichen kann ein Vermögen winken oder gar eine schicke Wohnung in einer autoritären Wohlstandsoase wie Dubai. Dort darf man dann weitermachen wie bisher, nur kein kritisches Wort über das neue Residenzland verlieren.

Doch Influencer gibt es auch im politischen Bereich — vor allem von rechts bis faschistisch, die mit rassistischen, antisemitischen, antifeministischen und verschwörungstheoretischen Inhalten besonders auf Youtube reüssieren. Woran liegt es, dass gerade Hass und Hetze so zieht?

Warum gerade Hass und Hetze?

Ein Grund könnte das weitgehende Fehlen aufklärerischer und linker Influencer, vor allem im deutschen Sprachraum, sein. Marius Liedtke und Daniel Marwecki, die die Studie: „Von Influencer*innen lernen — Youtube & Co. als Spielfelder linker Politik und Bildungsarbeit“ für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfasst haben, vermuten, dass die gesellschaftliche Linke hinsichtlich der Nutzung der sogenannten Sozialen Medien „skeptisch“ sei: „Internetkonzerne verdienen Milliarden mit der Inwertsetzung von Emotionen und speichern dabei persönliche Informationen, die neben persönlichem Konsumverhalten auch politische Einstellungen umfassen.“

Verstanden hat die gesellschaftliche Linke in der BRD die Möglichkeiten, die Youtube bietet, wohl erst, als der Youtuber Rezo — vor Mai 2019 eigentlich nur einem jungen Publikum als Musiker und Comedy-Videoproduzent bekannt — die CDU während des Europawahlkampfs erst in politische Schockstarre und dann in digitale Agonie stürzte. Knapp eine Stunde lang kam Rezo faktenreich und dringlich der titelgebenden Ankündigung nach, nämlich der „Zerstörung der CDU“. Von Wirtschaftspolitik über Klimakrise bis zur Unterstützung US-amerikanischer Drohnenkriege nahm er die Politik des großkoalitionären Taktgebers CDU auseinander. Die Zuschauerzahlen explodierten: Über drei Millionen Klicks nach drei Tagen, 14,6 Millionen nach drei Wochen.

Vorbild USA

Die CDU, durch zahlreiche Skandale in ihrer Geschichte (Amigo-, Flick-Spendenaffäre usw.) eigentlich gestählt und routiniert im Abwehren und Abmoderieren von Kritik, stand wochenlang mit heruntergelassenen Hosen dar, ohne auch nur ein Ansätzchen einer Strategie, wie man auf die fundierten Anwürfe des jungen Mannes mit blauen Haaren und orangenem Hoodie reagieren sollte. Kurz sollte Jungpolitiker Philipp Amthor Rezo in einem Antwortvideo den Stecker ziehen. Dann nahm die CDU davon Abstand, weil, so Amthor in einem Interview, der Angriff kein Niveau sei, auf das sich die Union herablasse. Dass die CDU bei der Wahl federn lassen musste, wurde später auf den Rezo-Effekt zurückgeführt.

Rezo bietet das beste Argument dafür, dass „die gesellschaftliche Linke in Deutschland den digitalen Raum bespielen muss“, folgern Liedtke und Marwecki. Wie das geht, zeigt das Beispiel USA. Dort waren Soziale Medien lange in der Hand der Alt-Right-Bewegung, die maßgeblich zum Wahlerfolg Donald Trumps beigetragen hat. Als Reaktion hat sich in den vergangenen Jahren aber eine linke Gegenbewegung auf Youtube & Co. gebildet. Einen guten Ein- und Überblick bietet das Reddit-Sub-Forum „Breadtube“, einem losen Zusammenschluss dezidiert linker Youtuber. Von der Entzauberung des neoliberalen Mythos vom Trickle-Down-Effect, bis zu kurzweiligen Einführungen in Aspekte des Arbeitskampfes, sind dort unzählige unterhaltsame Videos mit linken Schwerpunkten versammelt.

 

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Bernhard Krebs

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