Schweden wird gerne als Musterland der Gendergerechtigkeit bezeichnet: Die rot-grüne Regierung nennt sich offensiv „erste feministische Regierung der Welt“, die Ministerposten werden gleichmäßig zwischen Frauen und Männern verteilt. Bei den Gehalts- und Karrierechancen für Frauen gilt das Land schon lange als Spitzenreiter. Seit neuestem verdienen Frauen in den Top-Positionen des schwedischen öffentlichen Diensts sogar mehr als ihre männlichen Kollegen.
Aber: Ist, was für die Frauen gut ist, gleichzeitig auch ein Gewinn für die Männer? Oder hat das Pendel der Unterdrückung nun einfach die Geschlechterseite gewechselt? Kritiker behaupten gerne, dass Männer in einem gender-überregulierten System automatisch in die Defensive geraten: Entweder als Softies die, jeder maskulinen Identität beraubt, ihr Dasein fristen müssen, oder aber in Karriere-, Sorgerechts-, und Sexualfragen unter dem Generalverdacht des „Bad Boy“ stehen und damit in Streitfällen zwangsläufig den Kürzeren ziehen.
Abschließend liegt die Beurteilung einer richtigen Geschlechterpolitik wohl im Auge jedes einzelnen Betrachters; aus Schweden aber gibt es immerhin Anzeichen, dass dort auch für die Männer einiges ganz OK läuft. Auch wenn es auf dem Weg zur gendergerechten Gesellschaft durchaus Hürden gab und gibt. Beispiel Sorgerecht: Bereits 1917 führten die Schweden das Recht der Kinder auf einen Vater ein. Männer mussten nun auch Sorgerechtspflichten für uneheliche Kinder übernehmen.
Seit der Zeit des sozialprogressiven Ministerpräsidenten Olof Palme in den 1970er Jahren ist es erklärtes Ziel der Regierung, mit Hilfe einer Elternzeitversicherung, Mütter und Väter gleichermaßen dazu zu bewegen, viel Zeit mit ihrem Nachwuchs zu verbringen. Doch schließlich war es erst eine feste „Daddy-Quota“, die wirklich dazu führte, dass die Elternzeit auch bei Männern populärer wurde. Mindestens zwölf Wochen der Elternzeit müssen seit Neuestem vom Vater reserviert sein, sonst verfällt der zusätzliche Finanzanspruch.
Tatsächlich scheint diese Mischung aus sozialer Tradition und innovativer Gesetzgebung die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. „Sich um Kinder zu kümmern, wird immer mehr Teil einer modernen Männlichkeit unter schwedischen Vätern“, stellte jüngst eine Studie der Unis Mälardalen und Umea fest. Und die Uni Stockholm fand heraus, dass die Bindung der Kinder, deren Väter Elternzeit genommen hatten, auch Jahre danach noch enger war als die der Nicht-Elternzeit-Väter.
Noch gibt es freilich auch in Schweden deutlich längere Elternzeiten von Frauen als von Männern. Künstlerisch wurde den modernen schwedischen Vätern aber schon ein Denkmal gesetzt: Der Fotograf Johan Bävmann feiert mit „Swedish Dads“ das großzügige schwedische Elternsystem. Glückliche Menschen ganz ohne Hochglanzambitionen sind auf seinen Fotos zu sehen. Der moderne Mann: Hier scheint er auch in ganz alltäglichen Dingen ein Held sein zu dürfen.
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