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Eine der in Bochum lebenden Fledermausarten: die Teichfledermaus
Foto: AGAMI/Adobe Stock

Unter Fledermäusen

26. Juni 2025

Teil 3: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum

Im Ruhrpott verstaubt die Sonne, durch die Städte fließt Stahl. Wer sich hier für Naturschutz einsetzen möchte, hat sich wohl in der Region vertan. Für Naturschutz braucht man schließlich Natur – und davon gibt es hier wenig. Oder? Zumindest der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum e. V. (AkU) wusste sich die letzten 42 Jahre durchaus zu beschäftigen. 1983 wurde der Verein gegründet, als das Waldsterben große Schlagzeilen machte. Seitdem setzt der AkU sich für Bochums Natur ein, durch Bildungsangebote, Engagement in der Lokalpolitik und durch eigenes Anpacken.

Was das Grünflächenamt leugnete 

Eine wichtige Rolle spielen dabei schon immer Fledermäuse. „Am Anfang hat das Grünflächenamt einfach behauptet, die gäbe es hier gar nicht“, erinnert sich Gründungsmitglied Ingo Franke. Glücklicherweise war damals ein Elektrotechniker unter den Aktiven, der kurzerhand einen Detektor baute, der die Frequenzen erfasste, die Fledermäuse zur Echoortung aussenden. „Zwölf Jahre lang sind wir feste Routen mit dem Detektor abgelaufen, um die Population zu erfassen“. Das überzeugte letztendlich auch die Stadt. Über hundert Nistkästen hat der AkU seit 1985 im Stadtgebiet verteilt, in denen die Tiere ihre Jungen zur Welt bringen können. Bisher wurden acht Fledermausarten in Bochum nachgewiesen, sie alle sind vom Aussterben bedroht. Verletzte Tiere werden von Aktiven des AkU wieder gesund gepflegt.

Neben den Fledermäusen setzt sich der Verein auch für andere bedrohte Arten ein, etwa mit Schutzzäunen, die Amphibien daran hindern, auf Straßen zu hüpfen. Darüber hinaus klärt der Verein Bochumer:innen jeden Alters zu Natur- und Klimaschutz auf. Gemeinsam mit anderen Naturschutzgruppen wurde das Projekt Umweltspürnasen ins Leben gerufen, das Schulkinder ermuntern soll, an Bildungsangeboten wie betreuten Fledermausbeobachtungen teilzunehmen. Für Erwachsene gibt es unter anderem regelmäßige Vorträge über Balkon-Photovoltaikanlagen. Momentan trifft sich ein fester Kern von etwa sieben Personen einmal pro Woche, um die zahlreichen Projekte des Vereins zu koordinieren. An deren Umsetzung seien 2024 etwa 60 Personen beteiligt gewesen. 

Naturschutz ist Menschenschutz

Auch die Stadt legt heutzutage mehr Wert auf die Expertise des AkU als noch in den 80er Jahren. Er ist beispielsweise im Naturschutzbeirat vertreten, der die städtische Naturschutzbehörde berät. Trotzdem laufe vieles falsch, findet Franke, beispielsweise: „Die Stadt fällt zu viele Bäume“. Es sei eben einfacher, für Bauprojekte bestehende Grünflächen aufzugeben und neue anzulegen, als um den Bestand herum zu planen. Dass man sich das angesichts der Klima- und Umweltkrisen nicht mehr leisten könne, findet auch die Biologin Tina Wiener. Ihr Engagement im Verein begann mit der Forschung für ihre Masterarbeit – über Fledermäuse, anhand derer sie die großen Zusammenhänge erklärt: „Den Fledermäusen geht es schlecht, weil sie wegen des Insektensterbens nicht genug Nahrung finden. Wenn es aber weniger Fledermäuse gibt, vermehren sich Pflanzenschädlinge, die sie sonst gefressen hätten, was dazu führt, dass in der Landwirtschaft mehr Insektizide eingesetzt werden.“

Wo das hinführen kann, zeige eine US-amerikanische Studie aus dem letzten Jahr, die auf einen Zusammenhang zwischen dem vermehrten Einsatz von Insektengift und einer höheren Säuglingssterblichkeitsrate hinweise. Dass solche Befunde weder Bochums Lokalpolitik noch die neue Bundesregierung aus der Ruhe zu bringen scheinen, irritiert sowohl Wiener als auch Franke. Beirren lassen sie sich davon nicht. Realitätsverweigerung war schließlich auch vor 42 Jahren kein Grund, um aufzugeben.

Anna Kox

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