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Moers zurück im Diluvium

13. März 2013

Eine Stadt am kulturellen Abgrund - Magenbitter 07/12

This town ain't big enough for both of us
And it ain't me who's gonna leave.
(Sparks)

Ganz langsam und bedächtig fegt ein älterer Herr die Bühne. Nur die Notbeleuchtung weist ihm den Weg zum Unrat. Dann ist der Dreck im Eimer und der Mann geht ab. Ohne Publikum, ohne Beifall. Ganz still. Die letzte Glühbirne verlischt, knarrend schließt sich die Tür im alten Schloss, der Schlüssel dreht sich ein letztes Mal. Dann ist Ruhe im Tuffstein-Karton, der einmal eine theatrale Aushängebox für den Niederrhein war. Auch draußen auf den Wiesen werden nie wieder Jazzmusiker und Fans gemeinsame Sache machen. Von diversen Festivals ganz zu schweigen. Die Stadt Moers will ihre Kultur abschaffen und das nicht erst seit den aktuellen Haushaltsproblemen. Diese Stadt könnte wieder ins Diluvium zurückfallen, wo ihre Fläche einst aus Gletscher-Geröll entstand. Die Stadt hinter dem deutschen Paradefluss versinkt so frei gewählt in Bedeutungslosigkeit. Stadtmarketing für Touristen wird dann ebenso wenig mehr gebraucht wie ein Kulturbüro nebst Dezernent.

Verzweiflung macht sich breit, es werden Unterschriften gesammelt. Unterstützer gesucht. Bürger als Ideengeber geworben. Wer jetzt, denkt diese Situation sei außergewöhnlich in NRW, der hat sich geschnitten. Eigentlich sind alle pleite, sollten alle Theater, Museen, Konzerthallen, Festivals, Opern, öffentliche Toiletten und Ampeln, Parks, Kreisverkehre und Tierparks abgeschafft oder geschlossen werden. Die VHS und die Stadtbibliotheken sowieso, je dümmer der Bürger, desto leichter hat es der Würger. Die Lösung zeigt ein uraltes Zitat von Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten): „Bulimische Verschlankung für den ganzen Staat“.

Und dennoch. Ich bin ich. Wir sind wir. Gerade haben alle wieder die Fahnen geschwungen, haben wir unserer Bundeskanzlerin eine kleine Urlaubsreise nach Polen finanziert, VIP-Karte auf der Tribüne bei der Europameisterschaft inklusive. Das können sich nicht alle leisten. Dafür muss man berühmt sein oder ein Amt haben – oder Geld. Geld ist aber alle, also gibt es auch kein öffentliches Geld mehr für Sportveranstaltungen oder Dienstwagen oder Schwimmbäder, sorry, die wurden ja bereits abgeschafft.

Die Stadt Moers muss bis September einen Plan machen, wie der Haushalt 2018 ausgeglichen werden kann. Ein Fall nur für Wettbüros. Sollte das diese 100.000 Seelen-Gemeinde hinter den sieben Moränenhügeln schaffen, dann gibt es statt Horror-Sparkatalog eine horrende Quote. 1.000 für 10 würde ich mal schätzen. Wenn nicht, gibt es gerade mal den Einsatz wieder.

Wie wäre das denn: 2018 hat das formidable Schlosstheater eine Auslastungsquote von 95 Prozent. Jugendliche rangeln bei den Vorstellungen um die letzten Eintrittskarten, drängen ihre überforderten Deutschlehrer beiseite. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ skandieren sie. Nein nicht das Pokalfinale, das Theatertreffen meinen sie. Der ältere Herr packt draußen den Besen weg. Es nieselt leicht, doch er lächelt.

Peter Ortmann

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