Avey Tare vom Animal Collective hat u.a. mit Angel Deradoorian, die man von den Dirty Projectors kennt, und Jeremy Hyman (Ponytail, Dan Decon) die Slasher Flicks gegründet: Experimental-Pop – klar! Auf Avey Tare's Slasher Flicks „Enter the Slasher House” wird alles Mögliche geslasht, vornehmlich aber eine Idee von überdrehtem Glam Rock. Der Animal Collective-Sound ist unverkennbar, die 70er Jahre-Referenzen sind hier allerdings noch deutlicher. Ariel Pink steht an der nächsten Ecke. Wild, nervös und aufregend schön (Domino). Das zweite Album „Kokokyinaka“ von OY erscheint nun nochmals international unter dem Namen „No Problem Saloon“. Eigentlich keine große Nachricht, aber die aus Ghana stammenden Schweizerin hat die Gelegenheit genutzt, um nochmal Hand anzulegen an die verspielte Afro-Electronica. Außerdem wurden drei Stücke ausgetauscht (Crammed Discs). Dean Blunt und Inga Copeland waren jüngst sicherlich das coolste Musikerpaar unter der Sonne. Als Hype Williams machten sie magisch-verstrahlte, mit Wortfetzen versetzte Soundscapes. Blunt hat schon diverse Soloalben vorgelegt, jetzt zieht Copeland mit „Because I'm Worth It“ nach. Skizzenhaft wie alle Arbeiten der beiden, aber dadurch nicht im Mindesten weniger beeindruckend, erschafft sie auf der nur erahnbaren Basis britischer Bassmusik eine ganz eigene Welt. Actress hat ein Stück co-produziert (Eigenverlag).
Das Label Staatsakt bringt die Kompilation „Keine Bewegung“ heraus, deren Titel sicher doppeldeutig zu verstehen ist. Zum einen mit einem Ausrufungszeichen als Warnung; Die Stücke heißen „Bluten“, „Blaue Flecken“ oder „Pisse“, mit Bands wie Die Nerven, Trümmer oder Messer. Zum anderen um der Idee entgegenzutreten, hier ginge es um eine neue, einheitliche Bewegung. Vieles hat einen ähnlichen Grundton der Dringlichkeit, zwischen Punk und Post-Punk, die Stücke klingen dann aber doch sehr unterschiedlich. Einzige Gemeinsamkeit: spannende, aufreibende Musik. Mit dabei sind außerdem Jens Friebe, Ja Panik, Zucker u.a. ... 1981 taten sich der Musiker Tom Dokoupil und der Maler Walter Dahn für das Album „La Freiheit des Geistes“ des Projektes Die Partei zusammen. Darauf waren elf instrumentale Minimal-Wave Stücke mit so schönen Titeln wie „Guten Morgen in Köln“ oder „Nord-Süd-Fahrt“, zwischen cool, tanzbar und NDW-mäßiger Verspieltheit. Das Album wird als CD und auf Vinyl wiederveröffentlicht (bureau b).
Jetzt erscheint endlich doch noch der atmosphärische Soundtrack zu Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“ mit den somnambulen Drone-Stücken der Hauptfigur und anderen Songs aus dem Film. Mit dabei ist Jim Jarmusch’s Band Sqürl, der Lautenspieler Jozef Van Wissem und die libanesische Sängerin Yasmine Hamdan, Gastauftritte kommen von Zola Jesus und Madeline Follin. Die Vinylversion ist blutrot (ATP Recordings). Mit „Über Pop-Musik“ hat Diedrich Diederichsen sein Opus Magnum geschrieben: Auf fast 500 Seiten entfaltet er eine umfassende Theorie der Pop-Musik, die die Musik an sich nur als ein Teil eines größeren Gesamtzusammenhangs des Phänomens Pop-Musik versteht, zu dem unter anderem auch Text, der mediale Träger, die Performance, die Produktionsaspekte, die Rezeption sowie die Menschen, die daran beteiligt sind, zählen. Das ist komplex und sicher nicht einfach, aber immer dem latent gefühltem Widerspruch geschuldet, dass Pop-Musik eben – anders als beispielsweise Klassik – mehr ist, als das akustische Phänomen. Die Stoßrichtung ist ausreichend spannend, um alle möglichen Diskurse rund um Pop-Musik für längere Zeit zu befruchten (Kiepenheuer & Witsch).
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