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Aufklärung über den Barmer Prachtbau „Haus der Jugend“
Foto: Stephanie Spichala

Orientierung in der Vielfalt

10. April 2018

Wuppertaler Stadtführung für Geflüchtete – Spezial 04/18

Strahlender Sonnenschein versprach einen wundervollen Tag für die erste gemeinsame Wuppertaler Stadtführung für Geflüchtete, die die Wuppertal Marketing und die Flüchtlingshilfe Nordstadt zusammen auf die Beine gestellt haben. Doch der Start verlief holprig: Denn das sicherste Verkehrsmittel der Welt und Markenzeichen von Wuppertal, die Schwebebahn, hatte eine Betriebsstörung. Warten, oder die letzten zwei Stationen zum Treffpunkt Schwebebahnhof Vohwinkel zu Fuß laufen? Einige stellten sich wohl diese Frage, andere gaben wohl auf; denn auf der Anmeldeliste standen mehr als dann tatsächlich kamen.

Die Störung wurde flott behoben, und ab dann wurde es eine spannende Tour: Von Vohwinkel ging es mit der Schwebebahn einmal quer durch Wuppertal bis nach Oberbarmen. Die erfahrene Stadtführerin Beate Haßler erzählte während der Fahrt spannende Details zur Historie der Schwebebahn, der Stadtteile und Haltestellengebiete. So erfuhren die Geflüchteten, dass die Wupper früher in verschiedenen Farben schillerte, je nachdem, welche Stofffarbe die 1450 entstandene Textilindustrie gerade ins Wasser abließ, und warum das dank der in den 70er Jahren aufkommenden Umweltschutzgesetze anders gelöst werden musste; oder dass die 1901 eröffnete Schwebebahn zuerst nur von Elberfeld bis Barmen fuhr, die Erweiterungen kamen später.

Eine Anekdote rankt sich um die Sonnborner Hauptkirche gegenüber des Zoo-Stadions: Die reformierte Kirche hat keine Turmspitze, sondern eine Plattform und Balustrade, die nicht nur einen schönen Ausblick über Sonnborn bietet, sondern auch den direkten Blick ins Fussball-Stadion. Und so kam es, dass der Gottesdienst zur der Zeit, als der Wuppertaler SV noch Erstligist war, sonntags zur Spielzeit überquoll. Dem wenig frommen Grund für den regen Besuch schob man dann einen Riegel vor und ließ diesen Gottesdienst vorläufig ausfallen.

Auch am Bayer-Werk in Elberfeld ging es vorbei, dem ältesten Standpunkt des mittlerweile  globalen Pharmaziegiganten, der hier das Schmerzmittel Aspirin und den ersten künstlichen Farbstoff entwickelt hat. Es hat schon seinen Grund, warum Wuppertal einst einer der wichtigsten Textilstandorte der Welt war. Gründe für den Absturz der Textilindustrie waren die beiden Weltkriege und der billigere Import aus Fernost. Auch sonst wurde viel zerstört, in nur einer Nacht fielen dem Angriff der Briten im Zweiten Weltkrieg 80 Prozent der Wuppertaler Villen und markante Gründerzeit-Bauten zum Opfer, insgesamt wurden fast 40 Prozent der bebauten Stadtfläche zerstört. Die Nordstadt, die heute eher ein Studenten- und Künstlerviertel ist, war früher ein Arbeiterviertel, was man angesichts der Skyline dicht aneinandergedrängter billiger Bauten auch heute noch ahnt.

Doch nicht nur auf der Fahrt erfuhren die Neuzugewanderten Spannendes, von Oberbarmen ging es zurück zur Werther Brücke, von wo aus man dann zu Fuß den Weg zum Haus der Jugend, zum Barmer Rathaus und zur Germarker Kirche lief. Wer weiß noch, dass das Haus der Jugend früher Ruhmeshalle hieß und der Bau dem Berliner Reichstag nachempfunden wurde? Und vor der NS-Zeit eine renommierter Ausstellungsort für expressionistische Kunst war? Oder wer hat schon den Astropfad in der Barmer Fußgängerzone entdeckt, der zum Beispiel die Venus am Werth 73 verortet?

Im Barmer Rathaus durften die Teilnehmer dann auch den Ratssaal anschauen und einmal dort Platz nehmen, wo sonst der Oberbürgermeister sitzt. Sie erfuhren, dass Wuppertal aufgrund der Einwohnerzahl bis zu 70 Plätze für Abgeordnete einnehmen darf und fragten, wie sich demokratische Politik und Wahlen auf lokaler Ebene gestalten. Von den Einwohnern gewählte Vertreter, das macht Eindruck, doch auf die Frage, wer denn während der 5-jährigen Amtszeit den Oberbürgermeister kontrolliere, folgte erst einmal Schweigen. Narrenfrei schließlich, sei der Bürgermeister nicht, der bürgerliche Einfluss aber eingeschränkt.

Die Wappen der Stadtteile und Partnerstädte prangen im Ratsaal. Der Löwe im Stadtwappen, erfuhren die Flüchtlinge, geht zurück auf das 11. Jahrhundert und entstammt dem Wappen des Herzogtums Berg. Die Eingemeindung der bis 1929 eigenständigen Städte und heute Stadtteile wie Elberfeld, Barmen und Vohwinkel war keineswegs freiwillig und stieß damals auf viel Kritik. Die helle und freundlich wirkende Gemarker Kirche gefiel den Geflüchteten gut, zusammen mit der Ausstellung rund um Barmens evangelischen Widerstand gegen die Naziherrschaft.

Natürlich gab es noch mehr zu erzählen über das im Jahr 2008 als „Ort der Vielfalt“ ausgezeichnete Wuppertal, und dank guter Deutschkenntnisse der Teilnehmer waren Übersetzungen kaum nötig. Beim Eis zum Abschluss waren sich alle einig, dass es weitere Führungen geben wird.

Stephanie Spichala

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