Wuppertal 2.6.: Man kann die Welt auch im Kleinen zum Positiven verändern. Wer das angesichts von Herausforderungen wie Klimawandel, Kriegen, steigender sozialer Ungerechtigkeit und Flucht erstmal naiv findet, muss nicht weit gehen, um eines Besseren belehrt zu werden.
Gerade in Wuppertal finden sich gleich eine ganze Reihe von Initiativen, die die Stadt bunter, umweltfreundlicher und lebenswerter machen. Angefangen von der Nordbahntrasse, über das Klimaquartier am Arrenberg und die neue Initiative Transformationsstadt bis hin zu Critical Mass und Urban Gardening. Die Stadt zeigt gerade: Eine bessere Zukunft ist möglich. Und jeder kann diese mitgestalten.
Dass die vielen Wuppertaler Initiativen dabei in einem globalen Trend liegen, zeigt wiederum der Dokumentarfilm „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“. Der französische Umweltaktivist Cyril Dion realisierte das Projekt gemeinsam mit der Schauspielerin Mélanie Laurent („Inglourious Basterds“) und der Unterstützung von über 12.600 Crowdfunding-Supportern.
Eine Reise um die Welt, auf der Suche nach Möglichkeiten, die die Gesellschaft gerechter und nachhaltiger zu gestalten. In Frankreich und Belgien haben schon über eine Million Besucher den Film gesehen. Ein sensationelles Einspielergebnis. Anlässlich des deutschen Kinostarts kamen Vertreter der weltweit renommierten Wuppertaler Nachhaltigkeitsinstitutionen Wuppertal Institut und Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) zur Filmdiskussion ins Rex Filmtheater.
Zunächst wird es ernst: Vieles, was auf der Welt passiert, gibt Anlass zur Sorge. Auf der Leinwand erscheinen die Auswüchse der Massentierhaltung und die Verschwendung von fossilen Energien. Eingegangen wir auch auf die Finanzwirtschaft und die Logik von internationalen Konzernen, die auf die Akkumulation von immer mehr Geld gepolt sind – und nicht auf gesellschaftlichen Nutzen.
Doch der Fokus von „Tomorrow“ liegt ganz klar auf der Schaffung von Lösungen. Und da ist es tatsächlich beeindruckend, was sich gerade rund um den Globus tut: Zum Beispiel eine Stadt wie Kopenhagen, die dank bestens vernetzter Verkehrssysteme innerhalb kürzester Zeit klimaneutral wird, eine steigende Anzahl von Dörfern in Indien, die mit Hilfe einer innovativen Selbstverwaltung das jahrhundertealte Kastensystem überwinden oder regionale Komplementärwährungen als Alternativen zur globalen Finanzwirtschaft. Und über tausend Transition Town-Initiativen, die sich für lebenswerte Städte im Sinne der Nachhaltigkeit einsetzen.
Die Besucher im Rex, viele sind selbst in ähnlichen Initiativen aktiv, sind beeindruckt von so viel Bestätigung für ihre eigenen Tätigkeiten. Doch im Anschluss wird auch kontrovers diskutiert. „Die Initiativen im Film sind ja super, aber mir fehlt die politische Botschaft“, sagt jemand im Publikum.
Klar, man kann das lokale Eintreten für Nachhaltigkeit auch als Beruhigung des eigenen Gewissens sehen, während das System als Ganzes weiter fleißig für Ausbeutung sorgt. Und man kann es auch wohlfeil finden, wenn im Film ein dänischer Wissenschaftler stolz berichtet, dass er für seine 100-Quadratmeter-Altbauwohnung dank Energieeffizienz „nur“ noch 60 Euro Energiekosten im Monat bezahlen muss. Ein Entwicklungslandbewohner hat schließlich insgesamt kaum mehr zum Leben.
Andererseits: Wo soll Nachhaltigkeitsbewusstsein denn anfangen, wenn nicht bei den Menschen, die heute noch den größten ökologischen Fußabdruck hinterlassen?
„Natürlich gibt es immer noch bessere Lösungen, aber jede dieser Initiativen steht für einen Schritt in die richtige Richtung. Das ist allemal besser als einfach nur die Zustände zu kritisieren“, sagen Benjamin Best und Dietmar Schüwer vom Wuppertal Institut. Und Rosa Strube vom CSCP ergänzt: „Nachhaltiges Handeln bedeutet vor allem auch, sein eigenes Handeln und Bewusstsein zu überdenken.“
„Tomorrow“ zeigt dann tatsächlich erstaunliche Parallelen weltweit auf, unabhängig von Reichtum und Bildung: Immer dann, wenn Menschen persönliche Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt tragen in der sie leben, kommen positive Veränderungen zustande. Da entstehen auf Basis eines innovativen Bürgerbeteiligungsverfahrens dann plötzlich mitten im Ölförderland Texas die meisten Windkraftanlagen der USA, oder dank einer alternativen WIR-Währung in der Schweiz ein solider Finanzkreislauf, der den Wirren der internationalen Wirtschaftskrise trotzt. Und das Erstaunlichste: Da diese Initiativen auch noch profitabel sind und die lokalen Wirtschaftskreisläufe stärken, erfahren sie parteiübergreifend eine breite Unterstützung.
Das bringt die Teilnehmer der Diskussion am Ende zurück zur Stadt Wuppertal, wo eine Initiative wie die Nordbahntrasse ja nicht nur die Radfahrer freut, sondern auch zum Wirtschaftsfaktor geworden ist. Gleichzeitig werden in Wuppertal gerade genau jene innovativen Formen der Bürgerbeteiligung getestet, die im Film angesprochen werden. „Schade nur, dass man bei diesen Initiativen irgendwie immer dieselben Leute trifft“, sagt jemand.
Das ruft Kinobetreiber Mustafa El Mesaoudi auf den Plan: „Gute Projekte brauchen Öffentlichkeit, die auch ein Kino bieten kann. Mit dem Wuppertal-Institut und dem CSCP haben wir ja zwei echt fette Akteure in der Stadt. Das war heute bestimmt nicht die letzte gemeinsame Veranstaltung.“
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