Wenn die Bilder eines Zeichentrickfilms erstarren, dann ist entweder der Film gerissen oder sie wandern ins Museum, das eine ist schlecht, dann andere zumindest bedenklich. Dennoch wandert die Tim-Burton-Kunstaustellung durch die Welt, überall medial präsent und beworben. Es scheint so, als sei der geniale US-amerikanische Autor, Produzent und Filmregisseur über Nacht zum Bildenden Künstler geworden. Ist er natürlich nicht, war der Trickfilmspezialist natürlich immer schon, erinnern wir uns nur an seine Zeichner-Zeit bei Disney in den 70ern. Was folgte, war der erste Kino-Erfolg mit „Beetlejuice“ (1988) und mein absolutes Highlight „Ed Wood“ (1994). Doch dann kehrte sich die Innenseite aus Tim Burtons Gehirnhöhle nach außen und ließ diese ganzen Geister und skurrilen Wesen frei, die sein Universum schon immer bevölkert haben.
„The World of Tim Burton“ im Max-Ernst-Museum ist die erste Ausstellung von Werken Tim Burtons in Deutschland. Zuvor geisterten seine Strichmonster bereits in New York und L.A., Melbourne, Prag, in Tokio und Osaka, Paris und Seoul durch die Museen. Immerhin sind es auch über 630 Zeichnungen, ein paar Gemälde, lustige böse Objekte aus den Filmen, Maquetten (das sind Miniwelten von dem, was mal sein wird), etliche Storyboards, Fotos und natürlich jede Menge Filmmaterial in zahlreichen dunklen Ecken im Museum. Nicht zu vergessen der Darkroom mit Schwarzlichtarbeiten, von denen eine wohl vor Ort unter dem Einfluss der Max-Ernst-Werke entstanden ist. Ausstellungsdidaktisch sind Burtons Charaktere nicht nur in missverstandene Außenseiter eingeteilt, auch nicht verwirklichte Projekte und Karnevaleskes sind im Rheinland zu bewundern. Die schnuckeligen Monstrositäten und stillen Entstellten bevölkern oft in düsteren Farben die Wände. Ob das mit seiner Herkunft aus den standardisierten US-amerikanischen Vorstädten zu tun hat? Bestimmt. Das Gerippe des kleinen Beetlejuice aus Metall, Glas und Schaumlatex glaubt das jedenfalls auch. Und so wandern die Besucher durch die bizarren Welten eines Gehirns dessen Morbidität nur durch das Fantastische gebremst wird. Und das vielleicht auch einen anderen weg hätte einschlagen können.
Mit zehn Jahren jedenfalls drehte er seinen ersten Horrorfilm. Er habe sich nie vor Monstern gefürchtet, sagt er dazu, eher vor dem richtigen Leben. Er selbst zählt sich zu den missverstandenen Außenseitern wie die Leichenbraut aus dem Film „Corpse Bride“ (2005, übrigens eine russische Sage) oder Jack Skellington aus „Nightmare Before Christmas“ (1993). Aber er zählt auch zu den Surrealisten im Geiste, drei seiner Skulpturen stehen in der ständigen Max-Ernst-Ausstellung, und dort muss sich erst einmal gegen „Capricone“ (1948) behauptet werden. Viele Monster verführen aber auch einfach zum Schmunzeln wie der „Genähte Junge“ (Öl 7x10 cm, 2008). Noch nie Gesehenes schaut man dann in der Abteilung „Nicht verwirklichte Projekte“ (und die ist nicht klein). Hier versammeln sich Konzepte, deren Erschaffung (wie „Trick or Treat“ in den 80ern) schon ziemlich weit ausgearbeitet waren oder nie die ersten Hürden schafften wie das „Pirates Project“.
„The World of Tim Burton“ | bis 3.1.16 | Max Ernst Museum Brühl des LVR | 0228 50 20 10
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