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Foto: Stephanie Spichala

Friede, Freude, Freihandel?

13. April 2018

Boniface Mabanza über asymmetrische Handelsverträge zwischen Europa und Afrika – Spezial 04/18

Am Dienstag wurde es um 19 Uhr sehr politisch in der Färberei in Oberbarmen. Sind die bis dato abgeschlossenen und noch geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) der EU mit Afrika gut oder schlecht für den Kontinent? Nicht umsonst fragte schon der Veranstaltungstitel „Plündert Europa Afrika?“ Das Publikum schien größtenteils schon vorab genug zu wissen, um den Titel als rhetorische Frage zu erkennen, der Rest der rund 50 Zuhörer erahnte die Antwort.

Referent Dr. Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) klärte mit seinem Vortrag darüber auf, welche Folgen die WPAs (bzw. EPAs – Economic Partnership Agreements) für Afrika haben: So sorge die Fixierung auf den Export von Rohstoffen dafür, dass sich die lokale Infrastruktur stark daran orientiert habe. Handelswege würden vor allem gebaut, um Exportgüter möglichst rasch außer Landes zu schaffen, auch wenn bereits nachgebessert werde, um den Binnenmarkt zu stärken. Die Abkommen setzten vor allem auf Zoll- und Steuerfreiheiten, für Exporte von begehrten Metallen wie Platin würden im Gegenzug billige Nahrungsmittel-Importe ausgehandelt.

Der Wegfall von solchen Steuereinnahmen, oftmals für ganze Staatengruppen einer Region abgeschlossen, könne aber gerade kleinen afrikanischen Ländern in diesem Bündnis großen Schaden zufügen, denn der Anteil mache nicht selten 13 bis 19 Prozent des Staatshaushalts aus. Geld, das dann für andere Bereiche wie Gesundheit und Bildung fehle. Die Asymmetrie zwischen den afrikanischen Staaten ist groß – wird sie nicht mitbedacht, müsse man sich nicht wundern, wenn einige Staaten solche Abkommen ablehnten. Durch den Druck anderer Staaten seien sie in der Vergangenheit jedoch oft zur Unterschrift gedrängt worden. Der billige Nahrungsmittelimport treibe wiederum inländische Lebensmittelproduzenten in den Ruin und schade damit dem örtlichen Binnenmarkt. Es sei traurig, wenn ein fähiger Landwirt aus Ghana als Feldarbeiter in Italien Tomaten pflücke, damit diese dann nach Ghana exportiert würden, so Mabanza.

Woher rührt eigentlich das gestiegene Interesse der EU an Afrika? Durch Akteure wie China und auch die USA wurde der Irrglaube, Afrika habe nichts zu bieten, in der vergangenen Jahren deutliche widerlegt. Der Rohstoff-Reichtum des „schwarzen Kontinents“ ist schon lange kein Geheimnis mehr. BASF zum Beispiel brauche Platin, um damit Katalysatoren für die Autoindustrie zu bauen. Die schlechten Arbeitsbedingungen in den Minen seien bekannt, man kann sich fragen, warum Rohstoffe nicht direkt vor Ort verarbeitet und so wertvolle Arbeitsplätze geschaffen werden? Welche Hemmungen gibt es, wenn doch viele Produkte schon lange nicht mehr wirklich „Made in Germany“ sind? Mabanza würde sich Entwicklungshilfe dieser Art wünschen. Die EU schmücke sich in ihrer Rhetorik auch ansonsten gern mit dem Gedanken der Entwicklungshilfe für Afrika. Konkurrent China verfolge einen anderen, auch nicht unkritischen Ansatz. Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Flughäfen würden massenhaft und oft im Eiltempo von chinesischen Firmen erbaut,  häufig durch importierte Arbeiter-Kolonnen aus dem Reich der Mitte. Die EU schicke zwar Gelder, doch für was diese dann wirklich verwendet würden, sei oft nicht transparent.

Fehlender Patentschutz ist ein weiteres Thema: wenn natürliche Heilmittelrezepte ins Ausland kopiert würden und dann in teurer Tablettenform wieder im Land landeten, nütze das dem Ursprungsland sicher nicht. Mabanza machte an vielen weiteren Beispielen klar, dass es Alternativen zu solchen Abkommen gibt, und die müssten aus Afrika selbst entwickelt werden. Inländische Strukturen und die jeweiligen Binnenmärkte stärken. Wenn der Handelsweg raus aus dem Kontinent schneller und günstiger ist als ins Nachbarland, laufe etwas grundlegend falsch.

Man mache sich in Afrika zunehmend Gedanken darüber, wie wertvoll westliche Werte für den Kontinent tatsächlich sind. Wirtschaftswachstum um jeden Preis sei nicht die Lösung. Nicht nur Afrika, jeder einzelne auf der Welt müsse sich Gedanken darüber machen, wer man ist und wie man leben will. Solange eine Mehrheit der Religion des Wirtschaftswachstums anhängt, werden Politiker mehr Wachstum predigen, um Wahlen zu gewinnen. Man merkte Mabanza an, wie schwer es ihm fiel, dieses große Thema kurz und bündig zu präsentieren, doch mit ruhiger Gelassenheit gelang ihm das gut. Eines hat er an diesem Abend auf jeden Fall erreicht: die Zuhörer gingen wissender und nachdenklicher heraus als sie hereingekommen waren.

Stephanie Spichala

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