Es heißt, China arbeite seit Längerem daran, Einfluss aufs Wetter zu nehmen. Es ist ja auch ein Ärger: Im 21. Jahrhundert immer noch dem Klima ausgeliefert zu sein, unkontrolliert und heimlicher Beherrscher unseres Alltags – nicht erst wenn Hurricanes oder Überschwemmungen zur echten Bedrohung werden. Und auch für die Landwirtschaft ist schließlich längst nicht jeder Regen so recht von Segen, so oft Bauernregeln und romantische Bilder einer sorgenden Natur es auch beschwören. Wetter ohne Plan: eigentlich eine Zumutung.
Menschlicher Eingriff ins Klima, er findet trotzdem statt. Allerdings ganz ohne Planwirtschaft und leider so plan- wie nutzlos, vielmehr von immensem Schaden. Alle wollen Wetter machen – paradoxerweise mit Ausnahme derer, die den größten Einfluss darauf nehmen, nämlich der Umweltsünder. Es sind ja nicht böser Wille und Zerstörungswut, die in der Regel zur CO2-Pest führen oder zur Ausbeutung fürs Handy-Coltan, sondern so banale Eigenschaften wie Eigennutz und Ignoranz. Ganz Natürliches, im Grunde. Nicht mal Nestlé hasst Bäume. Was bekanntlich mit Plan passieren muss, das sind die Gegenstrategien. Weltklimagipfel sollen ja auch mit Konzept kontern, sollen den Folgen gefährlicher Blödheit und Fahrlässigkeit Überlegung entgegen setzen.
Strategisch und mit klarem Willen rüsten nicht nur Regierungen. Mit Kompetenz plus klarer Kante weiß sich etwa das Wuppertal Institut in Szene zu setzen. Das Forschungszentrum für Nachhaltigkeit am Döppersberg ist so selbst- wie sendungsbewusst und sieht sich auch als politischen Impulsgeber. Just diesen Sommer ging das Haus mit einem ambitionierten Ziel durch die Medien: In zehn Jahren, hieß es vom am Döppersberg ansässigen Institut, sollte Elberfeld autofrei sein. Gedacht war das weniger als Handlungsanweisung denn als Denkanstoß; Vertreter des Konzepts propagierten den Plan im Interview freilich so forsch, dass aufs Auto Angewiesene wie Behinderte sich schnell als notorische Bedenkenträger fühlen mochten.
Auch die Gesellschaft hat Klimawünsche und weiß sie zu äußern: Zum Bonner Gipfel zeigten Tausende Gesicht und forderten eine endlich wirksame Klimapolitik; kaum zwei Wochen zuvor begnügte die Bewegung „Ende Gelände“ sich nicht mit Gesicht und stellte sich gegen die Braunkohle mit Ganzkörpereinsatz. Im Alltag gedeihen Initiativen wie Foodsharing, und das ökologische Wollen gehört dabei zum Selbstverständnis. Eine Konzeptdenke übrigens, die den Machern wichtiger ist als so manchem Nutzer: Manchmal kommen zum Essenstausch Leute, die sonst bei der Tafel ihren Hunger stillen, und ahnen gar nicht, dass es hier doch eigentlich um Weltenrettung geht.
Nun mag es Retten auch als Hobby geben. Aktivisten mit Mission tun sich ja auch selbst etwas Gutes. Machen etwa auch sie sich die Welt, wie sie ihnen gefällt, nämlich zum Schreckensszenario, das ihr Handeln geboten erscheinen lässt? Vermuten könnte man das, wenn Hinweise aus dem Klimalager verdächtig ähnlich klingen wie verstaubte Mahnungen aus Krisentagen. Nicht heizen, sondern vier Pullover tragen! Iss den Teller leer! Und kau gründlich! Manche Verhaltensregel wirkt wie frisch der Nachkriegszeit entsprungen. Als gäbe es eine Lust am Spielverderben, bloß dass sie sich bei uns mangels Notlage nun „öko“ nennt. Ist es nun die Klima-Schiene, die herhalten muss zur Begründung des menschlichen Wunsches, sich dem Leben in den Weg zu stellen? Moralisieren als menschliche Grundkonstante – diese Analyse der Alarmisten macht Spaß und ist verführerisch.
Das sind alles schöne Überlegungen. Tückisch wird das Psychologisieren allerdings, wenn es den praktischen Blick überlagert. In Bonn demonstrierten auch Vertreter der Mapuche, indigener Volksgruppen, die ihr Land, ihren Lebensraum ganz unpsychologisch wegbröckeln sehen. Die Wochenzeitung „der Freitag“ regte an, FDP-Chef Lindner möge diesen Menschen doch einmal ins Gesicht sagen, „dass der Tagebau nicht geschlossen werden kann, weil die Strompreise steigen würden.“ Und so bleibt denn guter Wille, vor allem aktives Handeln unverzichtbar, selbst wo es nach Spaßbremse riecht. Solange Menschen aus Gedankenlosigkeit die Umwelt zerstören, braucht es Plan dagegen, von Bürgern wie Politik, Sharern wie Konferenzlern. Nur gleich das Wetter per Willenskraft zu dirigieren scheint vergebliche Liebesmüh: Einstweilen wird auch der Chinese vorsichtshalber mit Schirm aus dem Haus gehen müssen – Wetterregie qua Staatsräson bleibt vorerst Zukunftsmusik.
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