Die „figura magica“ fügt sich in das Ensemble der Sitzbänke vor dem Schauspielhaus ein. In Hufeneisenform mit langgezogenen Schenkeln ganzflächig auf dem Boden aufliegend und kaum kniehoch bleibt sie trotz ihrer Länge und ihres Gewichts unspektakulär. Um so mehr strukturiert sie den Platz weiter, deutet augenblicklich symbolische und semantische Schichten an und ist stumm-beredt geheimnisvoll.
Für Bodo Berheide, von dem diese Skulptur aus Gusseisen stammt, entsteht Kunst ohnehin im Dialog mit der Öffentlichkeit, schon während ihrer Errichtung und noch im Verhältnis zu ihrer Umgebung. Bei der „figura magica“ ist die Story zurück- und weitreichend. Mithin ist sie das zentrale Projekt in seinem Schaffen. Realisiert hat Berheide die „figura magica“ 1988 im indirekten Verfahren, bei dem das kochende Eisen aus dem Erdinneren in eine Form gegossen ist. Ihre Konzeption ist reich an anthroposophischen und mythischen Überlegungen, in Verbindung mit ökologischen Bedenken. „Zunächst ging es mir darum, ein Instrument zu entwickeln, welches den Fluss des Denkens auf das Zentrum unseres Lebens lenken sollte, auf den Mittelpunkt der Erde“, hat Berheide geschrieben. Im Gespräch schildert er weiter die Vielschichtigkeit der Skulptur, ihre Nähe zu einer archaischen Figur und ihre bipolare Materialität als Magnet – der freilich erst „aufgeladen“ werden musste, in der Ausrichtung nach den Himmelsrichtungen und während der Reise um die Welt, auf dem Seeweg, in der Zusammenführung der vier Naturelemente Erde, Wasser, Feuer, Luft. Zuvor auf der Königshöhe platziert ist Dublin 1991 die erste Station, auf Vermittlung des Goethe- Instituts. Im Zweijahres-Rhythmus folgen Orte in Kanada, den USA, Nicaragua, Chile, Australien, Japan, Sri Lanka, Togo. Teils hat Bodo Berheide die „figura magica“ dort mit einer Performance eingeweiht. Seit November nun befindet sie sich wieder in Wuppertal, wo sie im Februar der Öffentlichkeit endgültig übergeben wird.
Bodo Berheide wurde 1944 in Oberhof/Thüringen geboren, seit seinem ersten Lebensjahr lebt er in Wuppertal. 1972-77 hat er an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Joseph Beuys studiert. Wesentliche Überlegungen aus dieser Zeit verfolgt er in seiner eigenen Arbeit weiter, darunter die Prinzipien der Kommunikation und Partizipation. 1977 gehört er zu den Mitbegründern des „Nordstadt-Galerie-Kollektivs“ in der Hofaue 21a; das Projekt, das Ausstellungen und intermediale Aufführungen realisiert, zieht 1985 unter dem Namen „Atelier- und Galerie-Kollektiv“ in die Berliner Straße um. Seit 1992 existiert es ohne festen Raum mit der Option plötzlichen Reagierens und Handelns. Bodo Berheide selbst ist zudem seit 2002 Gründungsmitglied von SixPack, dem Zusammenschluss von sechs Wuppertaler Künstlern, die Aktionen initiieren und einzeln und gemeinsam dazu Arbeiten beisteuern.
Bodo Berheides eigenes Werk umfasst neben der „figura magica“ auch Objekte und Tafeln aus Papiermasse, in die Worte und Texte gestempelt sind. Und es gibt die Zeichnungen, die mit all dem zusammenhängen, aber doch auch andere Töne anschlagen. Die Handzeichnungen tragen mitunter Spuren eines Tagebuchs. Sie sind Seismogramm aus der Erfahrung heraus, beschreiben innere Wahrnehmung und reißen ein räumliches Bewusstsein an, auch dann, wenn sie als farbige Fäden zwischen Fließen und staksigem Ertasten durch das Blatt greifen. Ebenso konkret wie abstrakt sind sie ausgearbeitet, ganzes Risiko und souveräne Lösung. – Dass diese Zeichnungen demnächst in der Backstubengalerie, bei Berheide direkt um die Ecke, zu sehen sind, macht Sinn. Längst hochverdiente Institution in der Nordstadt, engagiert sich Christine Ostermann seit 35 Jahren mit kommunikativem Ansatz, also sehr verwandt den partizipatorischen, intermedialen Ideen von Bodo Berheide.
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