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Felicity Korn
Foto: Andreas Endermann

„Kunst voller Widersprüche“

28. August 2025

Kuratorin Felicity Korn über die Ausstellung zu Hans-Peter Feldmann in Düsseldorf – Sammlung 09/25

Der Künstler eignete sich Werke anderer an, verfremdete sie oder stellte sie in neue Kontexte. Das Museum Kunstpalast zeigt die letzte Ausstellung, an der Feldmann vor seinem Tod 2023 mitgearbeitet hat.

engels: Frau Korn, wo fängt bei Hans-Peter Feldmann die Kunst an?

Felicity Korn: Das ist genau die Frage, die unsere Ausstellung stellen will und die auch Hans-Peter Feldmann in seiner Kunst beschäftigt. In seinen Werken geht es eigentlich immer darum, dass er das Nachdenken darüber anregen möchte, wo die Kunst anfängt und der Alltag aufhört und wo sich beides vielleicht begegnet. Ist es überhaupt möglich, Grenzen zu ziehen oder fließen Kunst und Leben ineinander? Jede:r hat eine andere Perspektive auf die Frage. Feldmann möchte die Grenzen, die der Kunstbetrieb suggeriert, aufbrechen. Dies tut er mit einer gewissen Lockerheit und Leichtigkeit.

Schauen wir auf die Überschreitung der traditionellen Kunstgrenzen – gab es das nicht schon bei Dada und Fluxus?

Ja, beide Strömungen sind wichtige Vorbilder für Feldmanns Kunst. Seine Arbeit ist auch im Umfeldder „Appropriation Art“ (übers.: Aneignungskunst, d. Red.) zu sehen, die sich in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren in den USA etablierte. Wie sehr sich Feldmann dessen bewusst war, ist tatsächlich noch gar nicht tiefer erforscht. Es gibt künstlerische Entwicklungen, die er vielleicht vorweggenommen hat und einiges, das parallel passiert. Mit Sicherheit gilt aber, dass Feldmann sich der Kunstgeschichte sehr bewusst war und sich gut auskannte. Zugleich spielt eine wichtige Rolle, dass er in der Kunstszene des Rheinlandes, vor allem in Düsseldorf, in den 1960er Jahren wahnsinnig viel mitgenommen und aufgesogen hat.

Und er hat als einer der ersten Konzeptkünstler viel davon wiederverwendet, oder?

Genau. Feldmann hat zwar angefangen mit Malerei, aber bald das Medium gewechselt und viel mit Fotografie gearbeitet – sowohl mit eigenen Aufnahmen als auch mit Reproduktionen. Er fing an, Illustrierte, Werbung, Amateurfotografien oder Abbildungen von Kunstwerken zu kopieren, um sie sich dann in irgendeiner Form anzueignen, meistens durch Kolorierung oder durch die Zusammenstellung von Collagen. Mit dieser Arbeitsweise zählt Feldmann in Deutschland zu den Pionier:innen, weswegen er auch auf viel Unverständnis gestoßen ist, vor allem in den frühen Jahren.

Den Kunstmarkt hat sein Witz nicht gestört?

Zu Beginn seiner künstlerischen Karriere hatte Feldmann keinen wirtschaftlichen Erfolg. Das ist aber wenig verwunderlich, wenn man Kopien von Kopien verkauft. Und trotzdem hat es ihn gewurmt und schließlich dazu geführt, dass er sich für fast zehn Jahre aus dem Kunstbetrieb zurückgezogen hat. Feldmanns Kunst steckt voller Widersprüche – ebenso wie seine Haltung gegenüber dem Markt und seinem Selbstverständnis als Künstler. Als er schließlich in den 1990er Jahren zurückkehrte und wieder Ausstellungen stattfanden, nahm die Anerkennung zu. Spätestens in den 2000er Jahren hatte Feldmann sich gut in der Szene etabliert – auch auf dem Kunstmarkt – und gehört seitdem international zu den angesehensten deutschen Künstler:innen.

Aber die Archäologie hat er mit seiner Version der Nofretete verstört?

Verstört und gleichzeitig belustigt. Im Fall der Nofretete ging es Feldmann wiederum um Aneignung und die Frage, was Hochkultur ist und welche Merkmale Schönheit ausmachen. Er bemalte eine Kopie der berühmten Büste in gruseligen Plakatfarben und gab ihr auch noch schielende Augen. Die Skulptur erinnert an die Trash- oder Comic-Kultur. Ich denke, alle Assoziationen sind bei Feldmanns Kunst angemessen. Er hat viele Leute vor den Kopf gestoßen. Auch viele Kunsthändler:innen und Kurator:innen. Manche haben es angenommen und andere nicht.

Was ist in der Ausstellung zu sehen?

Wir zeigen eine Retrospektive und präsentieren Feldmanns Werke erstmals in einer chronologischen Anordnung. In diesem Zusammenhang haben wir seine wichtigsten Arbeiten zusammengetragen, darunter Gemälde, Skulpturen, viel Fotografie und einige raumgreifende Installationen. Die Ausstellung wird sehr großzügig vom Nachlass unterstützt. Da Feldmann häufig mit Kopien und in unlimitierter Auflage gearbeitet hat, befindet sich Vieles im Nachlass hier in Düsseldorf.

Wie retrospektiv ist die Ausstellung? Es ist ja die erste nach seinem Tod.

Es ist die erste Schau nach seinem Tod, aber auch die letzte, die noch gemeinsam mit ihm entwickelt wurde. Viele Werke hat er selbst für die Ausstellung ausgewählt. Auch dem chronologischen Ansatz hat er zugestimmt, der sehr ungewöhnlich ist, weil er seine Werke in der Regel nicht datiert hat. In der Retrospektive wird man also einerseits noch seinen persönlichen Einfluss spüren, aber andererseits auch eine Zäsur, denn am Ende musste die Ausstellung leider ohne ihn fertiggestellt werden. Zu Lebzeiten hat Feldmann sich viel in die Vorbereitungen eingebracht, weshalb seine Ausstellungen quasi als eigenständige Werke gesehen werden können. Er hat sie sehr assoziativ und frei installiert, oft noch spontan in die Hängung eingegriffen und Arbeiten ergänzt oder anders positioniert. All das kann ohne ihn so nicht stattfinden. Bei der Arbeit am Katalog war es ähnlich – unsere Publikation befindet sich an der Schnittstelle zwischen Künstlerbuch und Ausstellungskatalog, basierend auf dem Konzept, das er noch gemacht hat.

Wie erklärt man den Besuchenden die Ernsthaftigkeit des Künstlers?

Dadurch, dass er sich zentralen Fragen widmet – was Kunst ist –, dürfte den Besuchenden die Relevanz seiner Arbeiten hoffentlich schnell deutlich werden. Dazu zählen gerade auch die Fragen, was die Rolle eines Museums oder einer Ausstellung ist und wie wichtig die Betrachtenden sind. Ohne Menschen kann die Kunst nicht stattfinden. Sie muss als solche gesehen und erlebt werden. Wie sich sein Werk entwickelt hat und er seinen künstlerischen Weg bestritt, wird auch über die begleitenden Texte in der Ausstellung vermittelt und dem Publikum nahegebracht. Ich denke, eine große Qualität von Feldmanns Werk ist, dass es eigentlich nicht falsch zu verstehen ist, sondern für alle Impulse bietet. Er wollte für Irritation sorgen, humorvolle Begegnungen ermöglichen und zum Nachdenken anregen – das ist der Kern von Feldmanns Kunst.

Hans-Peter Feldmann | 18.9. - 11.1. | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00

Interview: Peter Ortmann

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