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Einzelkämpfer ins Fischglas

15. Februar 2018

„Freies Netzwerk Kultur“ animiert mit Treffen zur Kontaktpflege – Spezial 02/18

Vernetzung ist ein Wort der Stunde. Sie ist Reaktion auf moderne Vereinzelung, und mit dem Internet scheint es auch einfacher. In Wuppertal besteht seit 2016 das Freie Netzwerk Kultur, und die Umsetzung seither zeigt schon manches. Zum Beispiel den Bedarf, besser die Kandidaten dafür, denn Künstler gibt es en masse im Tal, gern freischaffend – in bildender Kunst, Musik, Theater und vielem mehr. Wenn Netz auf Kunst trifft, mag das freilich auch erinnern, dass der Künstler an sich häufiger zum Eigenbrödeln neigt als andere. Und sich im Zweifel nur zögerlich ins Kollektiv begibt.

Der „jour fixe“ ist wichtiger Teil dieses Netzwerks: Ein Treff mit strengem Titel und schon insofern ein Erfolg, als er es bereits zur Serie geschafft hat. Seit Mai 2017 ist das Netzwerk ein Verein, und schon rund ein Jahr länger lädt es zu dieser Zusammenkunft. Weiterhin nicht nur für Vereinsmitglieder, und dem besagten Eigenen im Künstler käme das auch kaum entgegen. Besonderheit: Die Treffpunkte wechseln, und das wohl weniger aus Platznot als programmatisch.

Im ersten Jahr gaben Kulturstätten den Rahmen fürs Netzwerk: Ateliers waren dabei (Milton Camilo, Christian von Grumbkow), Ausstellungs- und Projekträume (LOCH, Neuer Kunstverein, Kunststation, ort) sowie, ein wenig Sonderform, Utopiastadt im Mirker Bahnhof.  Der jüngste Termin im Januar ging dann fachfremd ins Wuppertal Institut, wobei Verbindungen von Kunst und Forschung ausführlich zur Sprache kamen. Stets gibt es beim Treffen eine Selbstpräsentation des Gastgebers, und fürs Institut stellte hier Matthias Wanner das Konzept einer „doppelten Entkopplung“ vor. Der zweiten, heute relevanten geht es da ums Etablieren einer neuen Lebensqualität: Weniger materiell und damit weniger rohstoffabhängig – und damit reif für die Zukunft in Nachhaltigkeit, großes Thema des renommierten Hauses. Hier, das war der Bogen zu den Anwesenden, sei die Kultur als Partner wichtig und biete sinnvolle Alternativen.

Einher mit dem Ortswechsel gehen, je nach Gastgeber, Unterschiede im Aufbau – und damit manch kleine Überraschung. Das in jeder Hinsicht moderne Selbstverständnis des Wuppertal Instituts fand seinen Niederschlag da auch in Rätselhaftem: Nach einer Umbaupause, hörte das skeptische Künstlervolk, folge nun ein zunächst ungeklärter Teil namens „fish bowl“. Um danach allerdings keineswegs trüb zu bleiben, sondern zu einem durchaus einleuchtenden Format zu fordern, bei dem Diskutanten zeitweilig ins Rund der Stühle eintauchen durften. Es gab kurze Statements aus spontanem Impuls – einer sprach von Wirklichkeit, ein anderer erwiderte: „Ich glaube, Wirklichkeit gibt es nicht.“ Was ein wenig auch die diversen Sphären spiegeln mochte.

Zum Rahmen dient den „jours“ neben den Adressen je ein Thema. Im Dezember etwa wurden Presse und Medien für ihr „Wertschätzen von Kunst und Kultur“ vorgestellt, nein besser: ihre Vertreter wurden darauf befragt und abgeklopft – im ort, der kleinen, großen Jazz-Adresse im Geist von Peter Kowald. Was en passant im bunten Kreis zur Einmütigkeit beitragen mochte: Nach sachlichen Vorträgen erst zum Ort, dann zum Thema ging es an die offene Runde; und die schreibende Zunft bekam einen recht kritischen Tenor zu hören, was ja auch eine Art von Einigkeit ist. Hilfreich schien da unter anderem eine Wortmeldung gegen Ende: Durchaus sei doch an Medien nicht bloß interessant, Termine zu verbreiten – mehr zu besuchen und danach zu berichten wäre aber schön.  

Wie sinnvoll die Treffen für den Einzelnen sind, hängt wohl auch von den Erwartungen ab. „Ich wollte immer mal hin, aber …“ ist im Umfeld immer mal zu hören. Bei einem Gespräch kurz nach dem Januartermin meinte ein Kunstfreund: „Ich geh da nicht mehr hin“, zweifelte an Teilen des Vorstands, und Netzwerke gebe es ja auch schon. In der Fischschalen-Runde gab es einerseits Wertschätzung fürs Kennenlernen – eine Teilnehmerin stellte fest: „Von vielen erfahre ich erst heute“, und der Schriftsteller Michael Zeller pflichtete bei: „Ich weiß nichts von euch und weiß auch nicht, wer etwa von mir etwas gelesen hat.“ Resultate vermisste wiederum nicht nur börsen-Chef Lukas Hegemann, der freundlich in den Kreis fragte: „Könnte es vielleicht noch konkreter werden? Das fände ich sehr gut.“ Es hat sicher auch damit zu tun, wieweit man stichfeste Erträge des einzelnen Abends erwartet – oder ob man die Treffen schon als stete Kontaktpflege schätzt und für sich gelten lässt.

Dem Dezember-Treff angeschlossen hatte sich jedenfalls ein Erfolg in punkto Präsenz: Das Netzwerk konnte in der „Westdeutschen Zeitung“ eine ständige Kolumne einrichten, die im Januar mit einem Beitrag von Vorstandsmitglied Tine Lowisch erstmals erschien. Mit dem Bildhauer Eberhard Lowisch betreibt sie die „Kunststation“ im Bahnhof Vohwinkel und war Gastgeberin eines „jour fixe“ im Vorjahr gewesen. Bei aller Skepsis mancher Künstler wohl ein Beispiel, dass der Ertrag des Tags sehr wohl auch schwarz auf weiß geraten kann.

Martin Hagemeyer

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