Die Gräfin
F/D 2009, Laufzeit: 100 Min., FSK 12
Regie: Julie Delpy
Darsteller: Julie Delpy, William Hurt, Daniel Brühl, Anamaria Marinca, Sebastian Blomberg, Charly Hübner, Anna Maria Mühe, Andy Gätjen, Frederick Lau, Adriana Altaras, Maria Simon, Katrin Pollitt, André Hennicke, Nikolai Kinski
Im 16. Jahrhundert gehörte die Gräfin Erzebet Bathory zu den mächtigsten und gefürchtetsten Frauen Ungarns. Man erzählte sich, dass sie ihre schwindende Schönheit durch die tägliche Behandlung mit Jungfrauenblut aufhalten wollte. Leichen pflasterten ihren Weg.
In den endlosen Wäldern der osteuropäischen Länder war zwischen prachtvollen Burgen und einfachen Bauerndörfern schon immer genügend Raum für gruselige Schauermärchen. Nicht nur der berüchtigte Vlad III. Drăculea mit dem Beinamen Tepeş, was soviel wie „der Pfähler“ bedeutet, hat hier im finsteren Mittelalter sein Unwesen getrieben – und ist danach als Graf Dracula zu einer mythenumrankten Horrorfigur aufgestiegen, die auch annähernd sechs Jahrhunderte später die Popkultur noch bereichert. Einige Jahrhunderte nach Vlad III. brachte es auch die ungarische Gräfin Erzebet Bathory zu ähnlich unheilvollen Ehren. Man sagte der reichen, einflussreichen und dominanten Edelfrau nach, sie würde in Jungfrauenblut baden, um sich ihr jugendliches Aussehen zu bewahren, und gelegentlich ihre weiblichen Jugendelixier-Lieferantinnen auch noch verspeisen. Ein Funken Wahrheit wird in diesen Erzählungen stecken, wenngleich auch einiges über die Jahrzehnte hinweg aufgebauscht und mystifiziert worden sein dürfte.
In ihrem dritten Film als Regisseurin (zwei Jahre nach dem Arthouse-Erfolg „2 Tage Paris“) hat sich die französische Schauspielerin Julie Delpy der Legende um die Blutgräfin angenommen und ihr mythenumranktes Leben für die große Leinwand aufbereitet. Noch vor der Vorspannsequenz werden im Eiltempo die Kinder- und Jugendjahre der Bathory abgehandelt, die aus dem Mädchen eine gefühlskalte und grausame Frau werden ließen. Die Liebe fand sie nach einer Zweckehe mit einem Grafen, dem sie drei Kinder schenkte, in ihrem deutlich jüngeren Verehrer Istvan Thurzo, dessen Vater die Liaison aber aus Eifersucht verhinderte. Delpy deutet den zunehmenden Verfall der von ihr selbst gespielten Gräfin als unmittelbare Folge dieser unerwiderten Liebe. Nicht nur der Wahn, nicht mehr jung und attraktiv zu sein, sondern auch die Steigerung in den Irrglauben, sich ihre Jugend und Attraktivität durch das Blut jungfräulicher Mädchen wieder zurückholen zu können, resultiert in Delpys Interpretation direkt aus der vermeintlichen Zurückweisung durch Thurzo jr.
Die Regisseurin erweist sich auch mit diesem Historiendrama als geschickte Filmemacherin, die das Potenzial des Makabren, des Okkulten und des Gruseligen für ihren Film ausnutzt, ohne dabei einen gewissen nüchtern-sachlichen Stil aus den Augen zu verlieren. Zwar lässt Julie Delpy keinen Zweifel aufkommen, dass Erzebet Bathory schuldig war und zu Recht verurteilt wurde, doch in ihrer Auslegung der Ereignisse gibt es auch keine einseitige Schuldzuweisung, sondern eine ganze Reihe fragwürdiger Figuren, die sich nicht gerade vorbildhaft verhalten haben.
(Frank Brenner)
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Das Zimmer der Wunder
Start: 16.5.2024
Nightwatch: Demons Are Forever
Start: 16.5.2024
Furiosa: A Mad Max Saga
Start: 23.5.2024
Mit einem Tiger schlafen
23.5.2024
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
Golda – Israels Eiserne Lady
Start: 30.5.2024
May December
Start: 30.5.2024
Was uns hält
Start: 20.6.2024
Führer und Verführer
Start: 11.7.2024
Love Lies Bleeding
Start: 18.7.2024
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
The Monk And The Gun – Was will der Lama mit dem Gewehr?
Start: 1.8.2024
Alien: Romulus
Start: 15.8.2024
Das Licht
Start: 17.10.2024
Hagen
Start: 31.10.2024
„Versagen ist etwas sehr Schönes“
Regisseur Taika Waititi über „Next Goal Wins“ – Gespräch zum Film 01/24
„Ich muss an das glauben, was ich filme“
Denis Imbert über „Auf dem Weg“ – Gespräch zum Film 12/23
Sieben Spitzenprämien-Gewinner
Kinoprogrammpreis-Verleihung in der Wolkenburg – Foyer 11/23
Kino galore
European Arthouse Cinema Day 2023 – Festival 11/23
„Zufriedenheit ist eine innere Einstellungssache“
Stefan Gorski über „Ein ganzes Leben“ – Roter Teppich 11/23
„Wir müssen begreifen, wozu wir fähig sind“
NRW-Premiere „Die Mittagsfrau“ im Kölner Cinenova – Foyer 10/23
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23