Only God Forgives
Frankreich, Dänemark 2013, Laufzeit: 89 Min., FSK 16
Regie: Nicolas Winding Refn
Darsteller: Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Yayaying Rhatha Phongam
Stilisiertes, brutales Rachedrama
Grauen vs. Grauen
„Only God forgives“ von Nicolas Winding Refn
Nicolas Winding Refn ist schonungslos. Wenn seine Werke allesamt von etwas durchsetzt sind, dann von Gewalt. „Pusher“ markierte 1996 den Auftakt zu einer Milieutrilogie, die sich zusehends ausufernd in brutale Eskapaden steigerte, sein „Walhalla Rising“ von 2009 nähert sich der Gewalt archaisch, beeindruckte aber zugleich durch eine hypnotische Bildsprache. Mads Mikkelsen verkörperte darin den schweigenden Helden in Wikingerzeiten. Das Hollywood-Pendant fand Refn 2011 in Ryan Gosling: In „Drive“ spielte der einen wortkargen Fluchtfahrer, der sanft wirkte, sich jedoch als tickende Zeitbombe entpuppte.
Man sollte sich durch sein US-Debüt jedoch nicht täuschen lassen. Nur weil der Däne in Hollywood angekommen ist, bedeutet das nicht, dass er sich dort anpasst und eingräbt. Den Handlungsort für sein neues, dänisch-französisches Drama verlegt er dann auch flugs nach Bangkok. Wieder verkörpert Ryan Gosling die zentrale Figur: Julian, ein Amerikaner im Exil, der gemeinsam mit seinem Bruder Billy mit Drogen dealt. Als Billy brutal ein Mädchen ermordet, schaltet sich der Polizist Chang (Vithaya Pansringarm) ein und initiiert einen blutigen Reigen, den Billy nicht überlebt, und der seine rachsüchtige Mutter (Kristin Scott Thomas) aus den USA auf den Plan ruft.
Refn hat wieder die bewährten Ingredienzen der letzten Jahre im Gepäck: den schweigsamen Helden, den inszenatorischen Sog, den hypnotischen Soundtrack, die brachiale Gewaltdarstellung. Gerahmt wird das atmosphärische Drama durch eines der zentralen dramaturgischen Motive des asiatischen Kinos, Rache. Der Filmemacher entfernt sich wieder deutlich vom Mainstream, die Brutalität, die er zelebriert, dürfte sich für viele an der Grenze des Erträglichen bewegen. Zugleich beeindruckt Refn mit einer umwerfenden Ästhetik. Die Welt, die er zeichnet, ist ein bildgewaltiger, wabernder Sumpf. Die Menschen darin sind ohne Ausnahme Monster. Gutes zu tun, bedeutet hier allenfalls, nichts zu tun. So wie Julian, der sich schweigend einer Todessehnsucht ergibt, die wiederum einer vergangenen, blutigen Tat entspringt. Refn kleidet Julians Phantasien aus Gewalt und Erotik in surreale Tagträume im Geiste David Lynchs: bedrohlich, entrückt, farbintensiv. Schon bald weicht Julian dabei als handlungsbestimmende Figur dem Polizisten Chang, der Ordnung ins Chaos zu bringen sucht, indem er Richter und Henker in sich vereint. Der gotterhaben das Grauen mit Grauen bekämpft. Und der, natürlich, weitestgehend schweigt – wenn er nicht gerade Karaoke singt. Womit wir zu dem Schuss Humor kommen, der verhindert, dass wir komplett im Morast allen Übels versinken. Kristin Scott Thomas trägt in erheblichem Maße dazu bei. Das rachsüchtige Biest, das sie hier mit blonder Haartracht verkörpert, die Furie, die sie süffisant füllt mit Spott und Arroganz, ordinär, grausam und zynisch, diese Hexe, diese Strippenzieherin, der dabei als einziger kein Blut an den Händen klebt – diese Figur erscheint böser als der gesamte Film und ist deshalb witzig. Gewalt, Humor, Style und zwei schweigsame Helden: Wir sind gespannt, was Nicolas Winding Refn auf seiner nächsten cineastischen Reise im Gepäck hat.
(Hartmut Ernst)
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