The Return - Die Rückkehr
Rußland 2003, Laufzeit: 106 Min.
Regie: Andrej Swaginzew
Darsteller: Wladimir Garin, Iwan Dobronrawow, Konstantin Lauronenko, Natalia Wdowina
Andrej Swjaginzews Film verbirgt hinter der vordergründig erzählten Geschichte vom Ausflug eines Vaters mit seinen beiden Söhnen in die raue Seenlandschaft Nordrusslands eine Bedeutungstiefe, die den Zuschauer in ihrer Abgründigkeit geradezu überwältigt. Beharrlich weigert sich der Regisseur in Interviews, die Symbolik des Werks zu entschlüsseln: "Sobald wir über diese Dinge zu schwatzen beginnen, verdunstet sofort all das, was magisch ist. Man sollte nicht über das sprechen, was von wirklicher Bedeutung ist, sondern es nur andeuten. "Der 12-jährige Iwan und sein zwei Jahre älterer Bruder Andrej leben mit ihrer Mutter und der Großmutter in einer russischen Provinzstadt. Plötzlich taucht der Vater, den die beiden eigentlich nur vom Foto kennen, wieder auf. Der Mann schweigt bis zum Schluss über seine Herkunft und die Umstände seines Verschwindens. Er scheint ein Geheimnis zu haben, vielleicht war er Soldat oder in kriminelle Machenschaften verwickelt. Eine zutiefst ambivalente Figur, sanft und autoritär zugleich, klug und geschickt, aber auch despotisch, wenn er alltägliche Dinge fordert, Selbständigkeit und einfache Handreichungen erwartet. Er lädt die Söhne zu einer Reise ein, die sie nach vielen Umwegen auf eine abgelegene Insel führt. Eigentlich wollen die Jungen Ferien machen, angeln, herumstreifen, aber stetig und unausweichlich entwickelt sich das Abenteuer zu einem bösen Traum. Der Trotz gegenüber der fremden Vaterfigur wächst. Bei Iwan fast von Anfang an, aber auch bei Andrej wird aus erster Bewunderung schließlich Angst und Hass. Auf der Insel eskaliert das Geschehen.Dominierend ist die Figur Iwans, sein Name sicher eine Anspielung auf den Film "Iwans Kindheit" von Andrej Tarkowsky, dem großen Vorbild Swjaginzews. In den Augen des Kindes und seiner ausdrucksstarken Mimik spiegelt sich die anwachsende Spannung. Die Darstellung der Wut der Kinder, die aus der bisherigen Fürsorglichkeit heraus gerissen werden, mag den Film als Kommentar erscheinen lassen zum neuerdings diskutierten Thema der zunehmenden Aggressivität bei männlichen Jugendlichen, über die Dominanz der Frauen und die fehlende Auseinandersetzung mit Männerfiguren, die den Reifeprozess behindern. Man könnte hinein interpretieren, welche Rolle der "abwesende", "tote" Vater als Angst erzeugende Instanz, als "Gesetz" und Gewissen spielt, wenn es um "Kultur" und das (laut Sigmund Freud) in ihr lauernde "Unbehagen" geht. Das Thema des Schweigens und Verschweigens ließe sich verstehen als Metapher für die Fatalität von "Familiengeheimnissen" oder ? weiter gefasst ? als Kritik an der zunehmenden Weigerung (zum Beispiel in den Medien), überhaupt Bedeutung zu kommunizieren - mit der Folge schwerer Identitäts- und Lebenskrisen.Doch warum "schwatzend" - im Sinne des Regisseurs - die religiösen, philosophischen, sozio-politischen, psychoanalytischen oder sonstigen Implikationen diskutieren? Der Film entfaltet seine Kraft allein durch die suggestiven Bilder und Töne, die sanften Schwenks der Kamera (Michail Kritschman), die manchmal, wenn das Schweigen der Menschen unerträglich wird, sich von ihnen fort bewegt, aufs gekräuselte Wasser hinausblickt, das sich im Wind wiegende Ufergras ins Bild bringt. Oder das Hinhören aufs Knarren der Äste, auf andere beklemmend stille Naturgeräusche, die eingebettet sind in die hinreißende Filmmusik (Andrej Dergatschew). Es ist kaum zu glauben, dass fast alle Beteiligten an diesem großen Film hier ihr Debüt gaben. Ihre Kunst wurde weltweit mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt , unter anderem mit dem "Goldenen Löwen" in Venedig und dem Europäischen Filmpreis "Entdeckung des Jahres".
(Heinz Holzapfel)

Grenzenlos
10. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/25
Anemone
Start: 27.11.2025
Sentimental Value
Start: 4.12.2025
Sorry, Baby
Start: 18.12.2025
Herz aus Eis
Start: 18.12.2025
Die jüngste Tochter
Start: 25.12.2025
Der Fremde
Start: 8.1.2026
Ein einfacher Unfall
Start: 8.1.2026
Hamnet
Start: 15.1.2026
Extrawurst
Start: 15.1.2026
Silent Friend
Start: 22.1.2026
Father Mother Sister Brother
Start: 26.2.2026
The Bride! – Es lebe die Braut
Start: 5.3.2026
Nouvelle Vague
Start: 12.3.2026
La Grazia
Start: 19.3.2026
„Ich wollte mich auf eine Suche nach Kafka begeben“
Regisseurin Agnieszka Holland über „Franz K.“ – Gespräch zum Film 10/25
A Useful Ghost
Start: 26.3.2026
The Odyssey
Start: 16.7.2026
„Es ist vertraut, aber dennoch spannend“
Schauspielerin Barbara Auer über „Miroirs No. 3“ – Roter Teppich 09/25
„Das Leben ist absurd, nicht der Film“
Regisseur Elmar Imanov über „Der Kuss des Grashüpfers“ – Gespräch zum Film 08/25
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24