Schuften für einen Hungerlohn – auf vielen Kaffee-, Tee- und Tabakplantagen, in Nähereien und Elektronikfabriken, arbeiten Hunderttausende unter Bedingungen, die sie krank machen und ihnen nur ein sehr schmales Auskommen ermöglichen. Wie niedrig die Standards sind, zeigt sich oft erst, wenn Chemikalien in Kinderspielzeug aus Fernost entdeckt wird oder in der Jeans für 10 Euro ein Zettel mit einem Hilferuf steckt. Während uns hierzulande die Schokolade zart auf der Zunge schmilzt, hat die Kakaoproduktion in den Herkunftsländern oft einen bitteren Beigeschmack. Mit der in Wuppertal beheimateten GEPA zog vor vier Jahrzehnten das Bewusstsein für die drastischen finanziellen Unterschiede in die Marktwirtschaft ein. Doch ist das Prinzip „Fair Trade“ auch aus ökonomischer Sicht rentabel?
Klar ist: Fair gehandelte Produkte sind teurer als solche, die unter ausbeuterischen Bedingungen entstehen. „Diese ‚Rundumqualität‘ ist nicht zu einem Billigpreis zu haben, sondern setzt voraus, dass alle an der Handelskette Beteiligten einen angemessenen Preis für ihre qualifizierte Tätigkeit erhalten, auch und gerade die Produzentinnen und Produzenten im Süden“, erklärt die GEPA auf unsere Anfrage. Damit die Wertschöpfungskette dennoch tragfähig bleib, benötigen einige Produzenten-Organisationen Unterstützungen durch externe Geldgeber wie NGOs, um beispielsweise die Infrastruktur für die Verarbeitung aufzubauen.
Solange der Welthandel die Gefälle in den Arbeitslöhnen für sich nutzt, werden viele Fair Trade-Organisationen weiterhin auf alternative Finanzierungswege zusätzlich zum klassischen Handel setzen müssen. Mittlerweile kann sich die GEPA über den Verkauf fair gehandelter Produkte finanzieren – und muss sich folglich aus eigener Kraft auf dem Markt bewähren und Umsatz generieren. Als GmbH mit kirchlichem Träger ist sie jedoch – anders als ein klassisches Unternehmen – nicht darauf angewiesen, Gewinne zu erwirtschaften. „Die GEPA ist eine Fair Handels-Organisation, unser Unternehmenszweck ist also allein der Faire Handel“, erklärt die Gepa uns gegenüber.
Rund 107 Millionen Euro gaben die Kunden im Geschäftsjahr 2014/2015 für GEPA-Produkte wie Kaffee, Schokolade, Tee oder Handwerksartikel aus, für Produkte mit verschiedenen Fair Trade-Siegeln rund 827 Millionen Euro. Zum Vergleich: McDonalds Deutschland verkaufte in derselben Zeit nach Schätzungen des Statistik-Portals Statista schnelles Essen und süße Getränke für über 3 Milliarden Euro. „Auch wenn von Jahr zu Jahr immer mehr fair gehandelte Produkte gekauft werden: Fairer Handel ist immer noch eine Nische“, betont die GEPA. Der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee in Deutschland – dem vom Umsatz her wichtigsten Produkt im Fairen Handel – beträgt nur knapp zwei Prozent. Pro Jahr gibt der Durchschnittsdeutschegut sechs Euro für Fair Trade-Produkten aus – weniger als ein Menü für zwei Personen bei McDonalds kostet.
Während die meisten fairen Produkte aus dem Süden unserer Erde kommen, sorgt die GEPA auch für angemessene Preise in der Milchproduktion – und das mitten in Deutschland. Mit der Milch, die später Schokolade veredeln wird, rückt die wirtschaftliche Situation der deutschen Milchbauern in den Fokus. Viele von ihnen können seit Jahren nicht mehr profitabel arbeiten, da die Milchpreise kaum noch Raum für Gewinne für die Produzenten lassen. Als solche Produkte macht das fair+ Zeichen aufmerksam. Die von manchen Ethikern befürchtete Gefahr, dass das Fair Trade-Prinzip Marktsignale überdecken und so zu einer Überproduktion führen könnte, hält die GEPA für ausgeschlossen: Ihr Kaffee stammt ausschließlich von Kleinbauern-Organisationen, die nur wenige Hektar Land bewirtschaften und so gar nicht in der Lage sind, ein Überproduktion zu generieren.
Eine Studie des Centrums für Evaluation (CEval) in Saarbrücken zeigt, dass fairer Handel nachweislich den Lebensstandard der Produzenten verbessert.Reich werden fair handelnde Unternehmen dennoch nicht – doch dies ist auch nicht ihr Ziel. Vielmehr wollen sie ein Bewusstsein dafür schaffen, dass viele Konsumgüter für einen Preis erkauft werden, den meist die Produzenten zahlen.
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